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Radetzkymarsch
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diktierte ihm Zorn gegen den Diener. Er selbst, der Leutnant, war oft nach Wien gefahren – und in Zivil und ohne Erlaubnis. Vielleicht hatte der Bursche sich nur nach dem Beispiel seines Herrn aufgeführt. Vielleicht hat Onufrij ein Mädchen, es wartet auf ihn, dachte der Leutnant weiter. Ich werd’ ihn einsperren, bis er blau wird! dachte der Leutnant Trotta. Aber gleichzeitig spürte er wohl, daß er diese Phrase nicht selbständig gedacht und nicht ernst gemeint hatte. Es war eine mechanische Wendung, ewig parat in seinem militärischen Gehirn, eine von den zahllosen mechanischen Wendungen, die in den militärischen Gehirnen Gedanken ersetzen und Entscheidungen vorwegnehmen. Nein, der Bursche Onufrij hatte kein Mädchen in seinem Dorf. Er hatte viereinhalb Morgen Feld, von seinem Vater ererbt, von seinem Schwager verwaltet, und zwanzig goldene Zehn-Kronen-Dukaten in der Erde vergraben, neben der dritten Weide vor der Hütte links, auf dem Pfad, der zum Nachbarn Nikofor führte. Der Bursche Onufrij hatte sich noch vor dem Aufgang der Sonne erhoben, Montur und Stiefel des Leutnants geputzt, die Stiefel vor die Tür gestellt und die Montur über den Sessel gehängt. Er nahm seinen Knüppel aus Weichselholz und begann, nach Burdlaki zu marschieren. Er ging den schmalen Pfad entlang, auf dem die Weiden wuchsen, auf dem einzigen Weg, der die Trockenheit des Bodens anzeigte. Denn die Weiden verbrauchten alle Feuchtigkeit des Sumpfes. Zu beiden Seiten des schmalen Wegs, den er ging, stiegen die grauen, vielgestaltigen und gespenstischen Nebel des Morgens auf, wallten ihm entgegen und zwangen ihn, sich zu bekreuzigen. Unaufhörlich murmelte er mit zitternden Lippen das Vaterunser. Dennoch war er guten Mutes. Jetzt kamen links die großen, schiefergedeckten Magazine der Eisenbahn und trösteten ihn einigermaßen, weil sie auf dem Platz standen, auf dem er sie erwartet hatte. Er bekreuzigte sich noch einmal, diesmal aus Dankbarkeit für die Güte Gottes, welche die Magazine der Eisenbahn an ihrem gewohnten Platz stehengelassen hatte. Er erreichte das Dorf Burdlaki eine Stunde nach Sonnenaufgang. Seine Schwester und sein Schwager waren schon auf den Feldern. Er betrat die väterliche Hütte, in der sie wohnten. Die Kinder schliefen noch, in den Wiegen, die am Plafond aufgehängt waren, mit dicken Seilen, an mehrfach gewundenen, eisernen Haken. Er nahm Spaten und Harke aus dem Gemüsegärtchen hinter dem Haus und begab sich auf die Suche nach der dritten Weide links von der Hütte. Am Ausgang stellte er sich auf, den Rücken der Tür zugewandt und das Auge gegen den Horizont gerichtet. Es dauerte eine Weile, bis er sich bewiesen hatte, daß sein rechter Arm der rechte, sein linker der linke war, dann ging er links, bis zur dritten Weide, in der Richtung zum Nachbarn Nikofor. Hier begann er zu graben. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick ringsum, um sich zu überzeugen, daß ihm niemand zusehe. Nein! Niemand sah, was er tat. Er grub und grub. Die 233
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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