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Radetzkymarsch
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Sonne stieg so schnell hoch am Himmel, daß er glaubte, der Mittag sei schon gekommen. Aber es war erst neun Uhr morgens. Endlich hörte er die eiserne Zunge des Spatens an etwas Hartes, Klingendes stoßen. Er legte den Spaten weg, begann, mit der Harke zärtlich die gelockerte Erde zu streicheln, warf die Harke weg, legte sich auf den Boden und kämmte mit allen zehn Fingern die lockeren Krümchen der feuchten Erde beiseite. Er tastete zuerst ein Taschentuch aus Leinen, suchte nach dem Knoten, zog es heraus. Da war sein Geld: zwanzig goldene Zehn-Kronen-Dukaten. Er gab sich keine Zeit nachzuzählen. Er verbarg den Schatz in der Hosentasche und ging zum jüdischen Schankwirt des Dorfes Burdlaki, einem gewissen Hirsch Beniower, dem einzigen Bankier der Welt, den er persönlich kannte. »Ich kenne dich!« sagte Hirsch Beniower, »ich habe auch deinen Vater gekannt! – Brauchst du Zucker, Mehl, russischen Tabak oder Geld?« »Geld!« sagte Onufrij. »Wieviel brauchst du?« fragte Beniower. »Sehr viel!« sagte Onufrij – und streckte die Arme aus, soweit er konnte, um zu zeigen, wieviel er brauche. »Gut«, sagte Beniower, »wir wollen sehen, wieviel du hast!« Und Beniower schlug ein großes Buch auf. In diesem Buch stand verzeichnet, daß Onufrij Kolohin viereinhalb Morgen besaß. Beniower war bereit, dreihundert Kronen darauf zu leihen. »Gehn wir zum Bürgermeister!« sagte Beniower. Er rief seine Frau, übergab ihr den Laden und ging mit Onufrij Kolohin zum Bürgermeister. Hier gab er Onufrij dreihundert Kronen. Onufrij setzte sich an einen wurmstichigen, braunen Tisch und begann, seinen Namen unter ein Schriftstück zu schreiben. Er legte die Mütze ab. Die Sonne stand schon hoch am Himmel. Auch durch die winzigen Fenster der Bauernhütte, in welcher der Bürgermeister von Burdlaki amtierte, vermochte sie ihre bereits brennenden Strahlen zu schicken. Onufrij schwitzte. Auf seiner kurzen Stirn wuchsen die Schweißperlen wie kristallene, durchsichtige Beulen. Jeder Buchstabe, den Onufrij schrieb, weckte eine kristallene Beule auf seiner Stirn. Diese Beulen rannen, rannen hinunter wie Tränen, die das Gehirn Onufrijs geweint hatte. Endlich stand sein Name unter dem Schriftstück. Und die zwanzig goldenen Zehn-Kronen-Dukaten in der Hosentasche und die dreihundert papierenen Kronenscheine in der Tasche der Bluse, begann Onufrij Kolohin seine Rückwanderung. Er erschien am Nachmittag im Hotel. Er ging ins Café, fragte nach seinem Herrn und stellte sich inmitten der Kartenspieler auf, als er Trotta erblickte, so 234
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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