Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Weiteres
Belletristik
Radetzkymarsch
Page - 244 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 244 - in Radetzkymarsch

Image of the Page - 244 -

Image of the Page - 244 - in Radetzkymarsch

Text of the Page - 244 -

in jener berühmten Konditorei aufzustöbern, in der sich die genäschigen und heiteren Würdenträger des Reiches gelegentlich am Nachmittag einfanden. Daß sein Vorhaben unausführbar sei, hörte der Bezirkshauptmann heute schon zum fünfzehntenmal. Aber er blieb unerschütterlich. Und die silberne Würde seines Alters und die leicht sonderbare und etwas wahnwitzige Festigkeit, mit der er von seinem Sohne sprach und von der Gefahr, die seinem Namen drohte, die Feierlichkeit, mit der er seinen verschollenen Vater den Helden von Solferino nannte und nicht anders, den Kaiser Seine Majestät und nicht anders, bewirkten in den Zuhörern, daß ihnen selbst das Vorhaben Herrn von Trottas allmählich gerecht und fast selbstverständlich vorkam. Wenn es nicht anders ging, sagte dieser Bezirkshauptmann aus W., würde er, ein alter Diener Seiner Majestät, der Sohn des Helden von Solferino, sich vor den Wagen werfen, in dem der Kaiser jeden Vormittag von Schönbrunn in die Hofburg fuhr, wie ein gewöhnlicher Markthelfer vom Naschmarkt. Er, der Bezirkshauptmann Franz von Trotta, mußte die ganze Angelegenheit ordnen. Nun war er dermaßen begeistert von seiner Aufgabe, mit Hilfe des Kaisers die Ehre der Trottas zu retten, daß es ihm vorkam, durch diesen Unfall seines Sohnes, wie er die ganze Affäre für sich nannte, hätte sein langes Leben erst den rechten Sinn bekommen. Ja, dadurch allein hatte es seinen Sinn bekommen. Es war schwer, das Zeremoniell zu durchbrechen. Man sagte es ihm fünfzehnmal. Er antwortete, daß sein Vater, der Held von Solferino, das Zeremoniell ebenfalls durchbrochen hatte. »So, mit der Hand, hat er Seine Majestät an der Schulter gepackt und niedergerissen!« sagte der Bezirkshauptmann. Er, der nur mit leisem Schaudern heftige oder überflüssige Bewegungen an andern wahrnehmen konnte, erhob sich selbst, griff nach der Schulter des Herrn, dem er die Szene gerade schilderte, und versuchte, die historische Lebensrettung an Ort und Stelle zu spielen. Und keiner lächelte. Und man suchte nach einer Möglichkeit, das Zeremoniell zu umgehen. Er ging in einen Papierladen, kaufte einen Bogen vorschriftsmäßigen Kanzleipapiers, ein Fläschchen Tinte und eine Stahlfeder, Marke Adler, die einzige, mit der er schreiben konnte. Und mit fliegender Hand, aber mit seiner gewöhnlichen Schrift, die noch die Gesetze von »Haar und Schatten« streng einhielt, setzte er das vorschriftsmäßige Gesuch an Seine K. und K. Apostolische Majestät auf, und er zweifelte nicht einen Augenblick, das heißt: Er gestattete sich nicht, einen Augenblick daran zu zweifeln, daß es »im günstigen Sinne« erledigt würde. Er wäre bereit gewesen, Montenuovo selbst mitten in der Nacht zu wecken. Im Laufe dieses Tages war nach der Auffassung Herrn von Trottas die Sache seines Sohnes zu der des Helden von Solferino und somit zu einer Sache des Kaisers geworden: gewissermaßen zur 244
back to the  book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Radetzkymarsch