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Radetzkymarsch
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stehn, den Krappenhut an der rechten Hüfte, die linke, weißblendende Hand am goldenen Degengriff, das Angesicht gegen die Tür des Zimmers starr gerichtet, in dem der Kaiser saß. So stand er wohl zwei Minuten. Durch die offenen Fenster wehten die goldenen Glockenschläge entfernter Turmuhren herein. Da gingen auf einmal die zwei Flügel der Tür auf. Und mit gerecktem Kopf, vorsichtigen, lautlosen und dennoch festen Schritten trat der Bezirkshauptmann vor. Er machte eine tiefe Verbeugung und verharrte ein paar Sekunden so, das Angesicht gegen das Parkett und ohne einen Gedanken. Als er sich erhob, war die Tür hinter seinem Rücken geschlossen. Vor ihm, hinter dem Schreibtisch, stand Kaiser Franz Joseph, und es war dem Bezirkshauptmann, als stünde hinter dem Schreibtisch sein älterer Bruder. Ja, der Backenbart Franz Josephs war etwas gelblich, um den Mund besonders, aber im übrigen genauso weiß wie der Backenbart Herrn von Trottas. Der Kaiser trug die Uniform eines Generals, und der Herr von Trotta die Uniform eines Bezirkshauptmanns. Und sie glichen zwei Brüdern, von denen der eine ein Kaiser, der andere ein Bezirkshauptmann geworden war. Sehr menschlich, wie diese ganze, in den Protokollen niemals verzeichnete Audienz Herrn von Trottas beim Kaiser, war die Bewegung, die Franz Joseph in diesem Augenblick vollführte. Da er befürchtete, ein Tropfen könnte an seiner Nase hängen, zog er sein Taschentuch aus der Hosentasche und fuhr damit über den Schnurrbart. Er warf einen Blick auf den Akt. Aha, der Trotta! dachte er. Gestern hatte er sich die Notwendigkeit dieser plötzlichen Audienz erklären lassen, aber nicht genau zugehört. Seit Monaten schon hörten die Trottas nicht auf, ihn zu belästigen. Er erinnerte sich, daß er bei den Manövern den jüngsten Abkömmling dieser Familie gesprochen hatte. Es war ein Leutnant, ein merkwürdig blasser Leutnant gewesen. Dies hier war gewiß sein Vater! Und schon hatte der Kaiser wieder vergessen, ob ihm der Großvater oder der Vater des Leutnants das Leben in der Schlacht bei Solferino gerettet hatte. War der Held von Solferino plötzlich Bezirkshauptmann geworden? Oder war es gar der Sohn des Helden von Solferino? Und er stützte sich mit den Händen auf den Schreibtisch. »Na, mein lieber Trotta?« fragte er. Denn es war seine kaiserliche Pflicht, seine Besucher verblüffenderweise beim Namen zu kennen. »Majestät!« sagte der Bezirkshauptmann und verbeugte sich noch einmal tief: »Ich bitte um Gnade für meinen Sohn!« »Was für einen Sohn hat Er?« fragte der Kaiser, um Zeit zu gewinnen und nicht sofort zu verraten, daß er in der Familiengeschichte der Trottas nicht bewandert war. »Mein Sohn ist Leutnant bei den Jägern in B.«, sagte Herr von Trotta. »Ah so, ah so!« sagte der Kaiser. »Das ist der junge Mann, den ich bei den letzten Manövern gesehen hab’! Ein braver Mensch!« Und weil sich seine Gedanken ein wenig verwirrten, fügte er hinzu: »Er hat mir beinah das Leben gerettet. Oder waren Sie es?« 248
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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