Page - 252 - in Radetzkymarsch
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»Warum?«
»Man hat ihn einfach ausgewiesen!«
Ja, so weit reichte also der Arm Franz Josephs, des alten Mannes, der mit
Leutnant Trotta gesprochen hatte, einen blinkenden Tropfen an der
kaiserlichen Nase. So weit reichte also auch das Andenken des Helden von
Solferino.
Eine Woche nach der Audienz des Bezirkshauptmanns hatte man Kapturak
weggeschafft. Nachdem die politischen Behörden einmal einen erhabenen
Wink erhalten hatten, verboten sie auch den Spielsaal Brodnitzers. Von
Hauptmann Jedlicek war nicht mehr die Rede. Er versank in jene rätselhafte,
stumme Vergessenheit, aus der man ebensowenig wiederkehren konnte wie
aus dem Jenseits. Er versank in den militärischen Untersuchungsgefängnissen
der alten Monarchie, in den Bleikammern Österreichs. Wenn den Offizieren
gelegentlich sein Name einfiel, verscheuchten sie ihn sofort. Das gelang den
meisten dank ihrer natürlichen Anlage, alles zu vergessen. Ein neuer
Hauptmann kam, ein gewisser Lorenz: ein behäbiger, untersetzter, gutmütiger
Mann mit einer unbezwinglichen Neigung zur Nachlässigkeit in Dienst und
Haltung, jederzeit bereit, den Rock auszuziehen, obwohl es verboten war, und
eine Partie Billard zu spielen. Dabei zeigte er seine kurzen, manchmal
geflickten und ein wenig verschwitzten Hemdsärmel. Er war Vater dreier
Kinder und Gatte einer vergrämten Frau. Er wurde schnell heimisch. Man
gewöhnte sich sofort an ihn. Seine Kinder, die einander ähnlich waren wie
Drillinge, traten zu dritt im Kaffeehaus auf, um ihn abzuholen. Allmählich
verzogen sich die verschiedenen tanzenden »Nachtigallen«, die aus Olmütz,
Hernais und Mariahilf. Nur zweimal wöchentlich spielte die Musik im Café.
Aber es fehlte ihr bereits an Verve und Temperament, sie wurde aus Mangel
an Tänzerinnen klassisch und schien eher den alten Zeiten nachzuweinen als
aufzuspielen. Die Offiziere begannen, sich wieder zu langweilen, wenn sie
nicht tranken. Wenn sie aber tranken, wurden sie wehmütig und hatten
herzliches Mitleid mit sich selbst. Der Sommer war sehr schwül. Während der
Exerzierübungen machte man zweimal am Vormittag Rast. Die Gewehre und
die Mannschaften schwitzten. Aus den Trompeten der Bläser schlugen die
Töne taub und unmutig gegen die schwere Luft. Ein dünner Nebel überzog
den ganzen Himmel gleichmäßig, ein Schleier aus silbernem Blei. Er lag auch
über den Sümpfen und dämpfte sogar den allezeit muntern Lärm der Frösche.
Die Weiden rührten sich nicht. Alle Welt wartete auf einen Wind. Aber alle
Winde schliefen.
Chojnicki war in diesem Jahr nicht heimgekehrt. Alle grollten ihm, als
wäre er ein vertragsbrüchiger Erheiterer, den die Armee zu allsommerlichen
Gastspielen verpflichtet hatte. Damit das Leben in der verlorenen Garnison
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik