Page - 256 - in Radetzkymarsch
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verführerisch wie der Klatsch, wie die Gelegenheit, eine günstige Gesinnung
oder eine gehässige zu erspähen, eine Protektion anzuwenden, um die man
gerade gebeten worden war, eine andere zu erringen, die man grad nötig hatte.
Einige versprachen, im letzten Augenblick allerdings, eine Depesche. Diese
Antworten und die Aussicht auf Depeschen vernichteten beinahe vollends die
Sicherheit, die sich der Oberst Festetics in den letzten Tagen erworben hatte.
»Es ist ein Unglück!« sagte er. »Es ist ein Unglück!« wiederholte der
Rittmeister. Und sie ließen die Köpfe hängen.
Wie viele Zimmer sollte man vorbereiten? Hundert oder nur fünfzig? Und
wo? Im Hotel? Im Hause Chojnickis? Er war ja leider nicht da und hatte nicht
einmal geantwortet! »Der ist tückisch, der Chojnicki. Ich hab’ ihm nie
getraut!« sagte der Rittmeister. »Du hast ganz recht!« bestätigte der Oberst.
Da klopfte es, und die Ordonnanz meldete den Grafen Chojnicki.
»Famoser Bursche!« riefen beide gleichzeitig.
Es wurde eine herzliche Begrüßung. Im stillen fühlte der Oberst, daß sein
Genie ratlos geworden war und einer Unterstützung bedurfte. Auch der
Rittmeister Zschoch fühlte, daß er sein Genie bereits erschöpft hatte. Sie
umarmten den Gast abwechselnd, jeder dreimal. Und jeder wartete
ungeduldig, bis die Umarmung des andern vorbei wäre. Dann bestellten sie
Schnaps.
Alle schweren Sorgen verwandelten sich auf einmal in leichtfertige,
anmutige Vorstellungen. Wenn Chojnicki zum Beispiel sagte: »Dann werden
wir hundert Zimmer bestellen, und wenn fünfzig leer bleiben, dann ist eben
nix zu machen!«, riefen beide wie aus einem Munde: »Genial!« Und sie fielen
noch einmal mit heißen Umarmungen über den Gast.
In der Woche, die noch bis zum Fest verblieb, regnete es nicht. Alle
Girlanden blieben hängen, alle Lampions. Manchmal erschreckte den
Unteroffizier und die vier Mann, die am Rande des Wäldchens wie eine
Feldwache lagerten und nach Westen spähten, nach der Richtung des
himmlischen Feindes, ein fernes Grollen, Echo eines fernen Donners.
Manchmal flammte ein fahles Wetterleuchten am Abend über die graublauen
Nebel, die sich am westlichen Horizont verdichteten, um die untergehende
rote Sonne sachte einzubetten. Weit von hier, wie in einer anderen Welt,
mochten sich die Gewitter entladen. In dem stummen Wäldchen knisterte es
von den trockenen Nadeln und von den verdorrten Rinden der
Fichtenstämme. Matt und schläfrig piepsten die Vögel. Der weiche, sandige
Boden zwischen den Stämmen glühte. Kein Gewitter kam. Die Girlanden
blieben an den Drähten.
Am Freitag kamen ein paar Gäste. Telegramme hatten sie angekündigt. Der
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book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik