Page - 261 - in Radetzkymarsch
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Jägerbataillons mit ihren Adjutanten, mehrere von den Trägern berühmter
Namen, und unter den Offizieren des Jägerbataillons Leutnant Trotta. Das
Zimmer, in dem sie sich befanden, enthielt wenig Sitzgelegenheiten, so daß
mehrere sich ringsum an die Wände lehnen mußten, einige sich ahnungslos
und übermütig, bevor sie noch wußten, worum es sich handle, auf den
Teppich setzten, mit gekreuzten Beinen. Aber es erwies sich bald, daß sie in
ihrer Lage verblieben, auch als man ihnen alles mitgeteilt hatte. Manche
mochte der Schreck gelähmt haben, andere waren einfach betrunken. Die
dritten waren von Natur gleichgültig gegen alle Vorgänge in der Welt und
sozusagen aus angeborener Vornehmheit gelähmt, und es schien ihnen, daß es
sich für sie nicht schicke, lediglich wegen einer Katastrophe ihren Körper zu
inkommodieren. Manche hatten nicht einmal die bunten
Papierschlangenfetzen und die runden Koriandoliblättchen von ihren
Schultern, Hälsen und Köpfen entfernt. Und ihre närrischen Abzeichen
verstärkten noch den Schrecken der Nachricht.
In dem kleinen Raum wurde es nach einigen Minuten heiß. »Öffnen wir ein
Fenster!« sagte einer. Ein anderer klinkte eines der hohen und schmalen
Fenster auf, lehnte sich hinaus und prallte im nächsten Augenblick zurück.
Ein weißglühender Blitz von einer ungewöhnlichen Heftigkeit schlug in den
Park, in den das Fenster führte. Zwar konnte man die Stelle nicht
unterscheiden, die er getroffen hatte, aber man hörte das Splittern gefällter
Bäume. Schwarz und schwer rauschten ihre umsinkenden Kronen. Und selbst
die übermütig Kauernden, die Gleichgültigen, sprangen auf, die
Angeheiterten begannen zu taumeln, und alle erbleichten. Sie wunderten sich,
daß sie noch lebten. Sie hielten den Atem an, sahen aufeinander mit
aufgerissenen Augen und warteten auf den Donner. Es dauerte nur ein paar
Sekunden, bis er erfolgte. Aber zwischen dem Blitz und dem Donner drängte
sich die Ewigkeit selbst zusammen. Alle versuchten, einander näher zu
kommen. Sie bildeten ein Bündel von Leibern und Köpfen rings um den
Tisch. Einen Augenblick zeigten ihre Gesichter, so verschiedene Züge sie
auch trugen, eine brüderliche Ähnlichkeit. Es war, als erlebten sie überhaupt
zum erstenmal ein Gewitter. In Furcht und Ehrfurcht warteten sie den
knatternden, kurzen Donner ab. Dann atmeten sie auf. Und während vor den
Fenstern die schweren Wolken, die der Blitz aufgetrennt hatte, mit jubelndem
Getose niederschäumten, begannen die Männer, ihre Plätze wieder
einzunehmen.
»Wir müssen das Fest abbrechen!« sagte Major Zoglauer.
Der Rittmeister Zschoch, ein paar Konfettisternchen im Haar und den Rest
einer rosa Papierschlange um den Nacken, sprang auf. Er war beleidigt, als
Graf, als Rittmeister, als Dragoner im besonderen, als Kavallerist im
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book Radetzkymarsch"
Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik