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Radetzkymarsch
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gleicht so ein Abschied einer – einer – Desertion.« »Die ganze Armee ist desertiert«, antwortete Carl Joseph. Er verließ seinen Platz. Er begann, auf und ab durchs Zimmer zu gehen, die Linke am Rücken, mit der Rechten begleitete er seine Erzählung. Vor vielen Jahren war der Alte so durch das Zimmer gegangen. Eine Fliege summte, die Wanduhr tickte. Die Sonnenstreifen auf dem Teppich wurden immer stärker, die Sonne stieg schnell höher, sie mußte schon hoch am Himmel stehen. Carl Joseph unterbrach seine Erzählung und warf einen Blick auf den Bezirkshauptmann. Der Alte saß, beide Hände hingen schlaff und halbverdeckt von den steifen, runden, glänzenden Manschetten an den Armlehnen. Sein Kopf sank auf die Brust, und die Flügel seines Bartes ruhten auf den Rockklappen. Er ist jung und töricht, dachte der Sohn. Er ist ein lieber, junger Tor mit weißen Haaren. Ich bin vielleicht sein Vater, der Held von Solferino. Ich bin alt geworden, er ist nur bejahrt. Er ging auf und ab, und er erläuterte: »Die Monarchie ist tot, sie ist tot!« schrie er auf und blieb still. »Wahrscheinlich!« murmelte der Bezirkshauptmann. Er klingelte und befahl dem Amtsdiener: »Sagen Sie Fräulein Hirschwitz, daß wir heute zwanzig Minuten später essen.« »Komm!« sagte er, stand auf, nahm Hut und Stock. Sie gingen in den Stadtpark. »Frische Luft kann nicht schaden!« sagte der Bezirkshauptmann. Sie vermieden den Pavillon, in dem das blonde Fräulein Soda mit Himbeer ausschenkte. »Ich bin müde!« sagte der Bezirkshauptmann. »Wir wollen uns setzen!« Zum erstenmal, seitdem Herr von Trotta in dieser Stadt amtierte, nahm er auf einer gewöhnlichen Bank im Garten Platz. Er zeichnete sinnlose Striche und Figuren mit dem Stock auf die Erde und sagte dazwischen: »Ich war beim Kaiser. Ich hab’s dir eigentlich nicht sagen wollen. Der Kaiser selbst hat deine Affäre erledigt. Kein Wort mehr darüber!« Carl Joseph schob seine Hand unter den Arm des Vaters. Er fühlte jetzt den mageren Arm des Alten wie vor Jahren beim abendlichen Spaziergang in Wien. Er entfernte die Hand nicht mehr. Sie standen zusammen auf. Sie gingen Arm in Arm nach Hause. Fräulein Hirschwitz kam im sonntäglich grauseidenen Kleid. Ein schmaler Streifen ihrer hohen Frisur über der Stirn hatte die Farbe ihres festlichen Kleides angenommen. Sie hatte noch in aller Eile ein sonntägliches Essen ermöglicht: Nudelsuppe, Rinderspitz und Kirschknödel. Aber der Bezirkshauptmann verlor kein Wort darüber. Es war, als äße er ein 270
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Ă–sterreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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