Page - 11 - in Das Spinnennetz
Image of the Page - 11 -
Text of the Page - 11 -
							»Ich war Leutnant im Regiment Seiner Hoheit, des Prinzen Heinrich!«
»Der Prinz wird sich sehr freuen«, sagte Doktor Trebitsch, und seine
Stimme war nicht mehr fern, sondern ganz, ganz nahe.
Der Stolz füllte, wie etwas Körperliches, Theodors Brustkorb, und sein
gestärktes Hemd wölbte sich.
Sie fuhren im Auto ins Kasino. Und Theodor saß im Wagen, nicht wie vor
einer Woche, als er mit Frau Efrussi fuhr. Nicht mehr fühlte er, gedrückt und
dünn, die Ecke zwischen Seitenwand und Rückenpolster. Er breitete sich aus.
Sein Körper fühlte durch Paletot, Rock, Weste die sanfte, kühle
Nachgiebigkeit des Leders. Die Füße lehnte er gegen den vorderen Sitz. Die
Zigarre erfüllte das Coupé mit dem satten Duft einer überflüssigen
Behaglichkeit. Theodor öffnete das Fenster und fühlte die schnelle,
schießende kalte Märzluft mit der Wollust eines innerlich Durchwärmten.
Man trank Schnaps und Bier, und der Abend im Kasino erinnerte an eine
Kaiser-Geburtstagsfeier. Graf Straubwitz von den Kürassieren hielt eine Rede.
Man brach in ein dreifaches Hurra aus. Jemand erzählte Anekdoten aus dem
Kriege. Theodor war Gast an der Seite des Prinzen. Nicht einen Moment
verlor er Seine Hoheit aus den Augen. Er ignorierte seinen Nachbarn zur
anderen Seite. Es galt, allezeit auf eine Frage des Prinzen vorbereitet und zur
Stelle zu sein. Nicht für die Dauer eines Augenblicks vergaß Theodor, daß er
jetzt endlich die Gelegenheit ergreifen konnte, Teile seines Traums zu
verwirklichen. War er noch der kleine, unbekannte Hauslehrer eines jüdischen
Knaben? Kannte ihn der Prinz nicht? Kannten ihn nicht alle Herren, die hier
um den Tisch saßen? Und obwohl der ungewohnte Alkohol
allmählich Theodors Sinn für die augenblicklichen kleinen Wirklichkeiten
einschläferte, blieb doch eine große helle Heiterkeit zurück, und die
Sicherheit kehrte ihm so oft wieder, als er sie brauchte, um dem Prinzen eine
Serviette, ein Glas, Feuer für die Zigarette zu reichen.
Als ihn der Prinz aufforderte, von jener Schlacht bei Stojanowics zu
erzählen, die das Regiment so löblich mitgemacht hatte, begann Theodor aufs
Geratewohl, etwas lauter, als er gewöhnlich zu sprechen pflegte. Es ging eine
Weile ganz gut, bis er bemerkte, daß er die Erzählung angefangen hatte, ohne
sich den Schluß zurechtgelegt zu haben. Er hielt ein, und es erschütterte ihn
die große, lauschende Stille. Er wußte noch, daß seine letzten Worte
»Hauptmann von der Heidt« gewesen waren. »Dieser Hauptmann also«, fuhr
Theodor fort, aber das Ende des Satzes fand er nicht mehr. »Er lebe hoch!
Hurra!« fiel der Doktor Trebitsch ein, und man feierte den Hauptmann von
der Heidt.
Dann stellte es sich heraus, daß Theodor und der Prinz denselben Weg nach
11
					
					back to the
					 book Das Spinnennetz"
				
				
						Das Spinnennetz
							
				- Title
- Das Spinnennetz
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1923
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 93
- Keywords
- Roman, Geschichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92