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Das Spinnennetz
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Page - 15 - in Das Spinnennetz

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Ein paar Tage später bekam er den ersten Befehl: bei Efrussi zu kündigen, zugleich mit dem ersten, von Heinrich Meyer unterzeichneten Scheck über einen phantastisch hohen Betrag, bei der Dresdener Bank zu beheben. Niemals war so viel Geld bei Theodor gewesen, im Nu veränderte der Besitz seine Miene, seinen Gang, seine Haltung, seine Umwelt. Es war ein heller Aprilabend, die Mädchen trugen leichte Kleider und lebendige Brüste. Die Fenster einer ganzen Häuserfront standen offen. Zwitschernde Spatzen hüpften zwischen gelbem Pferdekot. Es lächelte die Straße. Schon trug der Laternenanzünder den sommerlich weißen Kittel. Die Welt verjüngte sich ohne Zweifel. Die letzten Sonnenstrahlen zitterten in kleinen Kotlachen. Die Mädchen lächelten und schienen sehr zugänglich. Es gab blonde und braune und schwarze. Aber das war eine oberflächliche Einteilung, Mädchen mit breiten Hüften sind Theodors besondere Lieblinge. Er liebt es, Zuflucht und Heimat zu finden im Weibe. Er will nach vollendeter Liebe Mütterlichkeit, weite, breite, gütige. Er will seinen Kopf zwischen großen, guten Brüsten betten. Das war ein Tag, an dem ihm die Kündigung bei Efrussi leichtfallen mußte. Zwei Jahre war er ins Haus gekommen, Tag für Tag, und jetzt wird er die junge Frau Efrussi nicht mehr sehen. Er dachte ihrer wie einer Landschaft, die man einmal aus der Ferne erblickt hat und in der ein Verweilen unmöglich war. Er könnte vielleicht schriftlich kündigen – unter irgendeinem Vorwand. Prüfungen nähmen ihn jetzt so in Anspruch. Allein das wäre nicht nur Lüge, wäre Feigheit sogar und die Gelegenheit, dem verhaßten Efrussi die lange krampfhaft zurückgehaltene Wahrheit zu sagen, versäumt. »Herr Efrussi, ich bin ein armer Deutscher, Sie ein reicher Jude. Es bedeutet Verrat, eines Juden Brot zu essen.« Aber Theodor sprach nicht so zu dem schwarzen, hageren Efrussi, dessen Angesicht an das Porträt einer alten Frau mit strengen Zügen erinnerte. Theodor sagte nur: »Ich will Ihnen etwas mitteilen, Herr Efrussi.« »Bitte!« sagte Efrussi. »Ich unterrichte in Ihrem Hause schon zwei Jahre … « »Ihren Gehalt will ich erhöhen«, unterbricht Efrussi. »Nein, im Gegenteil, ich will kündigen«, sagt Theodor. »Weshalb?« »Weil Herr Trebitsch nämlich … « 15
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Das Spinnennetz
Title
Das Spinnennetz
Author
Joseph Roth
Date
1923
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
93
Keywords
Roman, Geschichte
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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