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der Begeisterung Lebende. Männer, die so wenig wußten, waren sich selbst
alles. Sie kannten kein Verhandeln. Sie hatten es nicht nötig. Wenn der Führer
sein Büro verließ, grüßten fünfzig Menschen im Vorzimmer, und zwanzig
standen stramm. Im Auto fuhr er. Mag sein, daß er nicht alles wußte. Daß
man ihn vorschob. Aber ihn kannte jeder. Wer grüßte Theodor Lohse?
Major Seyfarth war unzufrieden. Wie durfte Theodor ihn übergehen? Auf
seine Verdienste wies Theodor hin. Ja, Theodor drohte. Der Major sprang auf.
Hatte Theodor den Eid nicht geleistet? Eide könne man brechen. Auf
zweihundert Verwegene stütze sich die Macht Theodor Lohses. Theodor
übertrieb. Kaum fünfzig Gymnasiasten beteten ihn an. Kleine, furchtsame
Jungen waren sie.
Seyfarth zog sich zurück. Einen Ausweg wußte er. War nicht Arbeit genug
für Theodor Lohse? Agitation? Propaganda? In der Reichswehr etwa? War
das nicht ein Weg? Wertvolle Verbindungen gewann man.
Theodor überlegte: die zweihundert haben ihm imponiert. Nun fürchtete er
sie. Das Militär versprach viel. Blieb ihm sein Einkommen gesichert? Ja, es
blieb, und die Gage kam dazu. Er willigte ein.
Daheim sah er in den Spiegel. Nicht anders sah er aus als jener Führer.
Niemand machte ihm Eindruck. Er blitzte sein eigenes Spiegelbild an. Sprach
ein Wort aus, um seine Stimme zu prüfen. Sie trug die Worte. Sie konnte
donnern.
Er machte einen Plan für die Reichswehr: ergebene Leute finden; ihr
Lehrer sein, ihr Führer, Herr über Leben und Tod von hundert, zweihundert,
tausend Bewaffneten.
Er rückte ein, ein Tag reichte für die Erledigung der Formalitäten. Mit fünf
Empfehlungen rückte er ein. Potsdam war seine Garnison. Er trug eine
Uniform nach neuestem Schnitt. Den Rock nicht mehr eng wie in alten
Zeiten. Es war der neue Geist der Armee. Die Silberstreifen auf den
Achselstücken lagen so, daß sie einen schmalen Tuchrand frei ließen. Das
Bajonett hatte eine leise vernickelte Kuppel. Sie war in den Vorschriften nicht
vorgesehen, aber lächelnd geduldet. Jeden Morgen exerzierte er. Lange hat er
das Exerzieren entbehrt. Er stand vor zwei Menschenreihen. Er merkte die
leiseste Veränderung dieses und jenes Körpers. Er sah, wenn sich jemand
rührte, wenn Stiefel nicht geputzt, Läufe nicht gefettet, Tornister schief
geschnallt waren. Er befahl Kniebeugen, man gehorchte. Er befahl Laufen,
man lief. Er donnerte Stillgestanden, man stand still.
Er hielt Unterricht am Nachmittag. Er las Broschüren von Trebitsch vor.
Und sagte Eigenes. Er machte einen Witz. Die Soldaten lachten. Er glaubte zu
sehen, daß einer krank war. Er schickte ihn heim. Er war ein Kamerad. Er
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Das Spinnennetz
- Title
- Das Spinnennetz
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1923
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 93
- Keywords
- Roman, Geschichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Kapitel 1 5
- Kapitel 2 10
- Kapitel 3 14
- Kapitel 4 17
- Kapitel 5 21
- Kapitel 6 24
- Kapitel 7 30
- Kapitel 8 32
- Kapitel 9 36
- Kapitel 10 39
- Kapitel 11 42
- Kapitel 12 44
- Kapitel 13 47
- Kapitel 14 50
- Kapitel 15 52
- Kapitel 16 54
- Kapitel 17 57
- Kapitel 18 59
- Kapitel 19 61
- Kapitel 20 64
- Kapitel 21 67
- Kapitel 22 69
- Kapitel 23 73
- Kapitel 24 76
- Kapitel 25 79
- Kapitel 26 81
- Kapitel 27 83
- Kapitel 28 86
- Kapitel 29 89
- Kapitel 30 92