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Das Spinnennetz
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Auge irrte zu fremden Zielen. Sein eingeschläfertes Ohr vernahm nicht mehr die verheißenden Gewitter der Zeit. Er sah Trebitsch nicht mehr. Er schrieb nichts mehr für den »Nationalen Beobachter«. Gleichgültig ging er an den Lebensmittelläden vorbei, vor denen hungrige Mengen lärmten. Am Nachmittag plünderten Arbeiter in Potsdam. Eine stille Geschäftigkeit herrschte in der Kaserne. Es rückte eine fremde Maschinengewehrkompanie ein und blieb – niemand wußte, wie lange. Niemand kannte den Oberleutnant, der sie befehligte. Man sprach weniger, der Oberst saß schweigsam und steif. Er hatte dunkelrote, blaugeäderte Wangen. Sie hingen, wenn er schwieg, wie kleine Täschchen aus Haut über den Kragen. Am Ende der Tafel, wo die »jungen Leute« saßen, machte man keine Witze mehr. Man las Zeitungen, den politischen Teil, und kümmerte sich nicht um das Geld. Es war eine angstvolle Feierlichkeit, als wartete man auf eine beglückende Katastrophe. Major von Lübbe hielt einen Vortrag über die Zukunft des Luftkrieges. Es war jener bereits bekannte Vortrag, den Major Lübbe einigemal im Jahr aus einer alten Nummer der »Kreuzzeitung« vorzulesen pflegte. Er hatte als Hauptmann einen Artikel über Luftkriege verfaßt. Das war lange her. Wenn er den Aufsatz las, drückten sich die Stabsoffiziere. Nur die jungen Leute mußten bleiben und lauschen. Sie lauschten. Der Major sprach von Zeppelin. Er war einmal beim Grafen Zeppelin Gast gewesen. Und der Aufsatz handelte eigentlich nicht vom Luftkrieg, sondern von der Persönlichkeit des Grafen. Diesmal drückten sich die Stabsoffiziere nicht. Es war der Zeit nicht angemessen. Sie erforderte strengste militärische und gesellschaftliche Pflichterfüllung. Aber diesmal sprach der Major auch nicht mehr so viel über den Grafen Zeppelin. Er sprach von der Zeit des Grafen und verglich sie mit der Gegenwart. Und mahnte zur deutschen Einigkeit. Und sprach von harrenden Aufgaben. Und sogar die Stabsoffiziere lauschten. In zwei Wochen war die Enthüllung einer Gedenktafel fällig. Dazu hatte das Regiment alle alten Offiziere und den General Ludendorff eingeladen. Natürlich kam er. Der Oberst verkündete es im Kasino; er sprach langsam, er formte die Laute sichtbar, und er arbeitete dabei mit den Kiefern, so daß seine Täschchen schlotterten. Man exerzierte mit erneuten Kräften. Man putzte Gewehre, fettete Läufe, übte Griffe. Die Musik spielte, alte Märsche frischte sie auf. Und die Menschen in den Städten hungerten. Nachrichten vom Generalstreik brannten in den Zeitungen. Die Arbeiter schlichen mit 48
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Das Spinnennetz
Title
Das Spinnennetz
Author
Joseph Roth
Date
1923
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
93
Keywords
Roman, Geschichte
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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