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Das Spinnennetz
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von ihrem Glanz, ihrer Weite, ihrer Herrschaftlichkeit; es folgen Motorführer und Eisenbahner. Noch rollen in ihrem Bewußtsein schwarze Züge, wechseln Signale ihre Farben, schrillen Pfeifen, schlagen erzene Glocken. Aber ihnen entgegen marschieren, Sonne auf jungen Gesichtern und Gesang im Herzen, Studenten mit bunten Mützen und goldgesäumten Fahnen, gut genährt und glattwangig, Knüppel in den Händen, Pistolen in den weit abstehenden Hosentaschen. Ihre Väter sind Studienräte, ihre Brüder Richter und Offiziere, ihre Vettern Polizeikommissare, ihre Schwäger Fabrikanten, ihre Freunde Minister. Ihrer ist die Macht, sie dürfen schlagen, wer straft sie dafür? Der Zug der Arbeiter singt die Internationale. Sie singen falsch, die Arbeiter, aus vertrockneten Kehlen. Sie singen falsch, aber mit rührender Kraft. Es singt eine Kraft, die weint, eine schluchzende Gewalt. Anders singen die jungen Studenten. Aus gepflegten Kehlen tönende Gesänge, volle runde Klänge, siegreiche Lieder, blutige Lieder, satte Lieder, ohne Bruch, ohne Qual, kein Schluchzen ist in ihren Kehlen, nur Jubel, nur Jubel. Ein Schuß knallt. In diesem Augenblick sprengen Polizisten zu Pferd, blanke Säbel schwingend, aus den Querstraßen, Polizei zu Fuß sperrt hinter ihnen die Straßen, Pferde stürzen, Reiter schwanken, aufgerissen ist das Pflaster, gierige Finger wühlen darin, Steine hageln gegen die trennenden Wände der Polizei. Es wollen zwei Gewalten zueinander, die Masse der Mächtigen gegen die Masse der Machtlosen, zersprengt sind die Ketten der Polizei, es dringt der Hunger gegen die Sattheit vor, über das Rauschen der Menschen erhebt sich Gesang anderer, nachfolgender, noch singen jene, schon bluten diese, manchmalzerreißt ein Knall Geräusch und Gesang, dann ist es für den Bruchteil einer Sekunde still geworden, und man hört den herbstlichen Regen säuseln, und man hört sein Trommeln an Dächer und Fensterscheiben, und es ist, als fiele er in eine friedliche Welt, die sich anschickt, in Winterschlaf zu sinken. Aber dann wehklagt, wie ein verwundetes Tier, eine Autohupe, verzweifelt klingen von fernher Straßenbahnen, Pfeifen schrillen, Trompeten weinen wie Kinder. Ein Hund heult auf, zertreten, mit menschlichem Ruf, menschlich geworden in der Stunde seines elenden Todes, Ketten und Türbalken rasseln, und noch ein Schuß knallt. Aus der Universität kommt Marinelli mit fünfzig jungen Leuten, die Karabiner tragen, den Studenten als Verstärkung. Feuerwehr rückt an. Die Spritzen schießen kalte Wasserstrahlen. Sie fallen mit schmerzhafter 70
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Das Spinnennetz
Title
Das Spinnennetz
Author
Joseph Roth
Date
1923
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
93
Keywords
Roman, Geschichte
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Kapitel 1 5
  2. Kapitel 2 10
  3. Kapitel 3 14
  4. Kapitel 4 17
  5. Kapitel 5 21
  6. Kapitel 6 24
  7. Kapitel 7 30
  8. Kapitel 8 32
  9. Kapitel 9 36
  10. Kapitel 10 39
  11. Kapitel 11 42
  12. Kapitel 12 44
  13. Kapitel 13 47
  14. Kapitel 14 50
  15. Kapitel 15 52
  16. Kapitel 16 54
  17. Kapitel 17 57
  18. Kapitel 18 59
  19. Kapitel 19 61
  20. Kapitel 20 64
  21. Kapitel 21 67
  22. Kapitel 22 69
  23. Kapitel 23 73
  24. Kapitel 24 76
  25. Kapitel 25 79
  26. Kapitel 26 81
  27. Kapitel 27 83
  28. Kapitel 28 86
  29. Kapitel 29 89
  30. Kapitel 30 92
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