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Der zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie 78
Die vom zweiten Hauptsatz gelieferte Beziehung wird offenbar um
so einfacher lauten, je weniger sich der Endzustand vom Anfangszustand
unterscheidet. Daher ru¨hrt die große Fruchtbarkeit des zweiten Hauptsatzes
fu¨r Kreisprozesse, die, so verwickelt sie in ihrem Verlauf sonst sein mo¨gen,
doch einen von dem Anfangszustand nur wenig verschiedenen Endzustand
liefern. Denn da das System, welches den Kreisprozeß durchmacht, sich am
Ende desselben genau in dem na¨mlichen Zustand befindet wie am Anfang,
so kann man es bei der Vergleichung beider Zusta¨nde ganz außer Betracht
lassen (vgl. §91).
Was nun die mathematische Formulierung des zweiten Hauptsatzes
betrifft, so kann die Auszeichnung des Endzustandes eines Prozesses vor dem
Anfangszustand nur in einer Ungleichung bestehen, welche besagt, daß eine
gewisse von dem augenblicklichen Zustand des betreffenden Ko¨rpersystems
abha¨ngige Gro¨ße im Endzustand einen gro¨ßeren1 Wert besitzt als im
Anfangszustand. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt also,
daß in der Natur fu¨r jedes Ko¨rpersystem eine Gro¨ße existiert, welche die
Eigenschaft besitzt, bei allen Vera¨nderungen, die das System allein betreffen,
entweder konstant zu bleiben (bei reversibeln Prozessen) oder an Wert
zuzunehmen (bei irreversibeln Prozessen). Diese Gro¨ße heißt nach Clausius
die
”
Entropie“ des Systems. Die Beweisfu¨hrung im folgenden Kapitel geht
darauf hinaus, den mathematischen Ausdruck der Entropie eines Systems
zu bestimmen und den Nachweis ihrer Eigenschaften zu fu¨hren, und zwar
zuna¨chst fu¨r ideale Gase, weil nur fu¨r diese eine exakte Zustandsgleichung
vorliegt, sodann auf Grund hiervon auch fu¨r alle u¨brigen Substanzen.
§ 115. Da es tatsa¨chlich keinen Prozeß in der Natur gibt, der nicht
mit Reibung oder Wa¨rmeleitung verbunden wa¨re, so sind, wenn der
zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie richtig ist, sa¨mtliche Naturprozesse
in Wirklichkeit irreversibel, und die reversibeln Prozesse bilden nur einen
idealen Grenzfall, der aber fu¨r die theoretische Beweisfu¨hrung und fu¨r die
Anwendung auf Gleichgewichtszusta¨nde von erheblicher Wichtigkeit ist.
Zweites Kapitel. Beweis.
§ 116. Da der zweite Hauptsatz der Wa¨rmetheorie, ebenso wie der
erste, ein Erfahrungssatz ist, so kann man von seinem Beweise nur
insofern reden, als sein gesamter Inhalt sich aus einem einzigen einfachen
Erfahrungssatz von einleuchtender Gewißheit deduzieren la¨ßt. Daher stellen
wir folgenden Satz als durch die Erfahrung unmittelbar gegeben an die
1oder kleineren, je nach der Definition des Vorzeichens jener Gro¨ße.
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Vorlesungen über Thermodynamik
- Title
- Vorlesungen über Thermodynamik
- Author
- Max Planck
- Publisher
- VEREINIGUNG WISSENSCHAFTLICHER VERLEGER WALTER DE GRUYTER & CO.
- Location
- Berlin und Leipzig
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Pages
- 284
- Keywords
- Theoretische Physik, Wirkungsquantum, Nobelpreis, Wärme, Temperatur, Hauptsatz, Systeme, Mathematik
- Categories
- Lehrbücher
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- Erster Abschnitt. Grundtatsachen und Definitionen 2
- Zweiter Abschnitt. Der erste Hauptsatz der Wärmetheorie 34
- Dritter Abschnitt. Der zweite Hauptsatz der Wärmetheorie 70
- Vierter Abschnitt. Anwendungen auf spezielle Gleichgewichtszustände 113
- Erstes Kapitel. Homogenes System 113
- Zweites Kapitel. System in verschiedenen Aggregatzuständen 127
- Drittes Kapitel. System von beliebig vielen unabhängigen Bestandteilen (Komponenten) 165
- Viertes Kapitel. Gasförmiges System 199
- Fünftes Kapitel. Verdünnte Lösungen 212
- Sechstes Kapitel. Absoluter Wert der Entropie. Theorem von NERNST 253