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Von der Keuschheit
Ich liebe den Wald. In den Städten ist schlecht zu leben: da giebt es zu Viele
der BrĂĽnstigen.
Ist es nicht besser, in die Hände eines Mörders zu gerathen, als in die
Träume eines brünstigen Weibes?
Und seht mir doch diese Männer an: ihr Auge sagt es – sie wissen nichts
Besseres auf Erden, als bei einem Weibe zu liegen.
Schlamm ist auf dem Grunde ihrer Seele; und wehe, wenn ihr Schlamm gar
noch Geist hat!
Dass ihr doch wenigstens als Thiere vollkommen wäret! Aber zum Thiere
gehört die Unschuld.
Rathe ich euch, eure Sinne zu tödten? Ich rathe euch zur Unschuld der
Sinne.
Rathe ich euch zur Keuschheit? Die Keuschheit ist bei Einigen eine
Tugend, aber bei Vielen beinahe ein Laster.
Diese enthalten sich wohl: aber die HĂĽndin Sinnlichkeit blickt mit Neid aus
Allem, was sie thun.
Noch in die Höhen ihrer Tugend und bis in den kalten Geist hinein folgt
ihnen diess Gethier und sein Unfrieden.
Und wie artig weiss die HĂĽndin Sinnlichkeit um ein StĂĽck Geist zu betteln,
wenn ihr ein Stuck Fleisch versagt wird!
Ihr liebt Trauerspiele und Alles, was das Herz zerbricht? Aber ich bin
misstrauisch gegen eure HĂĽndin.
Ihr habt mir zu grausame Augen und blickt lĂĽstern nach Leidenden. Hat
sich nicht nur eure Wollust verkleidet und heisst sich Mitleiden?
Und auch diess Gleichniss gebe ich euch: nicht Wenige, die ihren Teufel
austreiben wollten, fuhren dabei selber in die Säue.
Wem die Keuschheit schwer fällt, dem ist sie zu widerrathen: dass sie nicht
der Weg zur Hölle werde – das ist zu Schlamm und Brunst der Seele.
Rede ich von schmutzigen Dingen? Das ist mir nicht das Schlimmste.
Nicht, wenn die Wahrheit schmutzig ist, sondern wenn sie seicht ist, steigt
der Erkennende ungern in ihr Wasser.
Wahrlich, es giebt Keusche von Grund aus: sie sind milder von Herzen, sie
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den LehrstĂĽhlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glĂĽckseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berĂĽhmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom VorĂĽbergehen 170
- Von den AbtrĂĽnnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der groĂźen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- AuĂźer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die BegrĂĽĂźung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352