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Vom Vorübergehen
Also, durch viel Volk und vielerlei Städte langsam hindurchschreitend, gieng
Zarathustra auf Umwegen zurück zu seinem Gebirge und seiner Höhle. Und
siehe, dabei kam er unversehens auch an das Stadtthor der grossen Stadt : hier
aber sprang ein schäumender Narr mit ausgebreiteten Händen auf ihn zu und
trat ihm in den Weg. Diess aber war der selbige Narr, welchen das Volk »den
Affen Zarathustra’s« hiess: denn er hatte ihm Etwas vom Satz und Fall der
Rede abgemerkt und borgte wohl auch gerne vom Schatze seiner Weisheit.
Der Narr aber redete also zu Zarathustra:
»Oh Zarathustra, hier ist die grosse Stadt: hier hast du Nichts zu suchen
und Alles zu verlieren.
Warum wolltest du durch diesen Schlamm waten? Habe doch Mitleiden mit
deinem Fusse! Speie lieber auf das Stadtthor und – kehre um!
Hier ist die Hölle für Einsiedler-Gedanken: hier werden grosse Gedanken
lebendig gesotten und klein gekocht.
Hier verwesen alle grossen Gefühle: hier dürfen nur klapperdürre
Gefühlchen klappern!
Riechst du nicht schon die Schlachthäuser und Garküchen des Geistes?
Dampft nicht diese Stadt vom Dunst geschlachteten Geistes?
Siehst du nicht die Seelen hängen wie schlaffe schmutzige Lumpen? – Und
sie machen noch Zeitungen aus diesen Lumpen!
Hörst du nicht, wie der Geist hier zum Wortspiel wurde? Widriges Wort-
Spülicht bricht er heraus! – Und sie machen noch Zeitungen aus diesem Wort-
Spülicht.
Sie hetzen einander und wissen nicht, wohin? Sie erhitzen einander und
wissen nicht, warum? Sie klimpern mit ihrem Bleche, sie klingeln mit ihrem
Golde.
Sie sind kalt und suchen sich Wärme bei gebrannten Wassern; sie sind
erhitzt und suchen Kühle bei gefrorenen Geistern; sie sind Alle siech und
süchtig an öffentlichen Meinungen.
Alle Lüste und Laster sind hier zu Hause; aber es giebt hier auch
Tugendhafte, es giebt viel anstellige angestellte Tugend: –
Viel anstellige Tugend mit Schreibfingern und hartem Sitz- und Warte-
Fleische, gesegnet mit kleinen Bruststernen und ausgestopften steisslosen
Töchtern.
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Also sprach Zarathustra
- Title
- Also sprach Zarathustra
- Author
- Friedrich Wilhelm Nietzsche
- Date
- 1885
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.0 cm
- Pages
- 354
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Zarathustras Vorrede 2
- Teil 1 - Die Reden Zarathustras 19
- Von den drei Verwandlungen 20
- Von den Lehrstühlen der Tugend 22
- Von den Hinterweltlern 25
- Von den Verächtern des Leibes 28
- Von den Freuden- und Leidenschaften 30
- Vom bleichen Verbrecher 32
- Vom Lesen und Schreiben 34
- Vom Baum am Berge 36
- Von den Predigern des Todes 39
- Vom Krieg und Kriegsvolke 41
- Vom neuen Götzen 43
- Von den Fliegen des Marktes 46
- Von der Keuschheit 49
- Vom Freunde 51
- Von tausend und Einem Ziele 53
- Von der Nächstenliebe 55
- Vom Wege des Schaffenden 57
- Von alten und jungen Weiblein 60
- Vom Biss der Natter 63
- Von Kind und Ehe 65
- Vom freien Tode 67
- Von der schenkenden Tugend 70
- Teil 2 - Also sprach Zarathustra 75
- Das Kind mit dem Spiegel 77
- Auf den glückseligen Inseln 80
- Von den Mitleidigen 83
- Von den Priestern 86
- Von den Tugendhaften 89
- Vom Gesindel 92
- Von den Taranteln 95
- Von den berühmten Weisen 98
- Das Nachtlied 101
- Das Tanzlied 103
- Das Grablied 106
- Von der Selbst-Ueberwindung 109
- Von den Erhabenen 112
- Vom Lande der Bildung 115
- Von der unbefleckten Erkenntniss 118
- Von den Gelehrten 121
- Von den Dichtern 123
- Von grossen Ereignissen 126
- Der Wahrsager 130
- Von der Erlösung 134
- Von der Menschen-Klugheit 139
- Die stillste Stunde 142
- Teil 3 - Also sprach Zarathustra 145
- Der Wanderer 147
- Vom Gesicht und Räthsel 150
- Von der Seligkeit wider Willen 155
- Vor Sonnen-Aufgang 158
- Von der verkleinernden Tugend 161
- Auf dem Oelberge 167
- Vom Vorübergehen 170
- Von den Abtrünnigen 173
- Die Heimkehr 178
- Von den drei Bösen 182
- Vom Geist der Schwere 187
- Von alten und neuen Tafeln 191
- Der Genesende 222
- Von der großen Sehnsucht 228
- Das andere Tanzlied 231
- Die sieben Siegel 236
- Teil 4 - Also sprach Zarathustra 243
- Das Honig-Opfer 245
- Der Notschrei 248
- Gespräch mit den Königen 251
- Der Blutegel 256
- Der Zauberer 259
- Außer Dienst 267
- Der häßlichste Mensch 271
- Der freiwillige Bettler 276
- Der Schatten 280
- Mittags 283
- Die Begrüßung 286
- Das Abendmahl 291
- Vom höheren Menschen 293
- Das Lied der Schwermut 313
- Von der Wissenschaft 319
- Unter Töchtern der Wüste 322
- Die Erweckung 330
- Das Eselsfest 334
- Das trunkne Lied 339
- Das Zeichen 352