Seite - 213 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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daran nur gelegen, Gott zu unterscheiden und zu trennen,
zu einem Etwas, einem Besondern und Unterschiednen
zu machen; verwechselst und vermischest du aber nicht Gott
gerade dadurch, und zwar auf die allerschlechteste und
unwahrste Weise, mit den Dingen und den endlichen
Wesen, ich will gar nicht sagen: mit der Natur? Ist Gott
nur ein Unterschiedenes, so ist er freilich nicht Natur,
aber wie ein einzelnes Naturding und Naturwesen, denn
die Naturwesen unterscheiden sich eben darin von Gott,
daß sie nur unterschieden, besondere sind. Wirfst du dem
reinen Pantheismus vor, daß er das All zu Gott mache,
so trifft dich dagegen der Vorwurf des allerschlechtesten
Pantheismus, des Partikularpantheismus. Denn indem
du Gott nur unter der Bestimmung des In-sich-Seins und
Von-sich-Wissens oder, besser, des Fürsichseins, also nur
unter der Bestimmung der Besonderheit und Unterschie-
denheit denkst, so erhebst du eben das Etwas, aller-
dings nicht das All, sondern das Besondere, zum Abso-
luten. Kennst du denn das Selbstbewußtsein nur in seiner
trockensten, leersten und beschränktesten Bestimmung?
Gibt es nicht höhere und niedere Persönlichkeit? Ist Selbst-
bewußtsein allein dort, wo die Person nur von sich selbst
weiß, wo nichts in ihr ist als die Person selbst? Ist nicht
auch die Liebe Selbstbewußtsein, nicht seliger Genuß,
nicht allerhöchstes Selbstgefühl? Ist aber das Selbst,
dessen Gefühl du in der Liebe hast, juridisches, ausschlie-
ßendes, unterschiednes Selbst, ein Selbst, das nur in sich ist
und von sich weiß; oder ist nicht vielmehr das Gefühl des
Selbstes in der Liebe zugleich Gefühl eines Wesen[s], das
unterschieden und doch eins mit dem Selbste ist? Nicht
mehr Selbst, Wesen ist Gegenstand und Inhalt deines
Gefühls, indem du liebst, und du fühlst dich selbst, indem
du das andre Wesen fühlst und in dir empfindest; und
zugleich ist nicht, wie außerdem, in der Liebe Gefühl und
Wissen vom Sein getrennt, sondern mit dem, dessen Ge-
fühl und Bewußtsein du hast, bist du eins, das bist du in
Wahrheit selbst. Kannst du dich nun nicht auch zu dem
Gedanken erheben, daß Gott alles und doch selbstbewußt
sei, daß er, indem er sich weiß, alles als sich und sich als
alles weiß? Kannst du nicht auch das Fürsichsein Gottes
mit seinem Allessein zusammenreimen? Das Allessein,
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften