Seite - 214 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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wie es in Gott und Gott selbst ist, und das Allessein, wie
es in der Natur und Natur ist, unterscheidet sich dadurch,
daß jenes Allessein absolutes Einssein, darum Fürsichsein
ist, dieses Allessein aber Alles- als Vieles-, Besonderes-,
Einzelnes-, Zertrenntes-, als Außer- und Nacheinander-
sein ist, und es ist nicht bloß ein formeller Unterschied
der Unterschied der Einheit und Vielheit, sondern alles,
wiefern es eines ist, ist ebendann ein von dem alles,
wie es vieles ist, unterschiedner, selbständiger Inhalt.
Suche nur z. B., um dieses zu erkennen, das Geheimnis
der Liebe zu begreifen. Die Liebe unterscheidet sich darin
von allen andern Empfindungen, daß sie alle Empfin-
dungen ist, sie ist nicht eine besondere Empfindung,
sie ist die absolute, unendliche, schlechthin allgemeine
Empfindung, sie ist alle Schmerzen und alle Freuden, alle
Lust und alle Qual auf einmal und zusammen, und doch
ist sie darin, daß sie alle Empfindungen als ein Zugleich
und ungetrenntes Eins ist, eine von allen andern Empfin-
dungen, wie sie besonders, einzeln, zertrennt, außer- und
nacheinander in dir erscheinen, unterschiedne, selbstän-
dige Empfindung; dieser Formunterschied der Liebe, daß
in ihr eines alles, alles eines ist, von den andern Empfin-
dungen, in welchen das in der Liebe Eine Vieles, Zerstreu-
tes, Verschiedenes ist und welche ebendann besondere
Empfindungen sind, ist daher nicht formeller, sondern
zugleich wesentlicher Inhaltsunterschied. Du empfindest
nicht nur anders in der Liebe als in den zerstreuten und
besondern Empfindungen deiner Seele, sondern du emp-
findest auch andres. Das Viele überhaupt daher, wie es
in der Einheit und Einheit ist, ist ein unterschiedenes
von dem Vielen, inwiefern es in der Vielheit und selbst
Vielheit ist; ein neues Wesen entsteht, wo nur immer
eines aus vielem wird. Ein Gleichnis von der Einheit des
Fürsichseins und Allesseins hast du an dem Menschen, in
dem die Natur nicht die Persönlichkeit ausschließt, die
Persönlichkeit nicht die Natur, die Seele, in der er Nichtich,
nicht Person ist, wie du z. B. im Schlafe bemerken kannst,
wo Seele ist, aber nicht Bewußtsein — nicht das Bewußt-
sein und umgekehrt.1
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften