Seite - 226 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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denn wo Unendliches ist, da ist nicht Endliches, das Un-
endliche ist aber überall, es ist nicht in einem Teile der
Sphäre des Seins, sondern in dem ganzen Räume, das End-
liche ist also nirgends. Wie ist nun aber selbst auf dem Stand-
punkt dieser Betrachtung, der, einseitig festgehalten, zu
einer bloßen Negation des Endlichen führt, das Sein des
Endlichen möglich? Nur dadurch, daß du das Sein selbst
beschränkst, bestimmst und unterscheidest in reines Sein
und in bestimmtes, zeitliches Sein. Nur durch die Zeit
und in ihr ist endliches Sein möglich. Innerhalb der Sphäre
des Seins des Unendlichen ist das Sein des Endlichen nur
möglich als Nacheinandersein, als Sukzession, als Schwin-
den und Vergehen. Wie der Planet in der Zeit nie stille-
steht und ruht, sondern immer wandelt, nie denselben
Raumpunkt festhält, sondern einen Ort um den andern
negiert, so kommt innerhalb der Sphäre des Seins, welche
das Unendliche einnimmt, das Endliche nie zu einem
Ruhepunkt, wo man sagen könnte: Es ist, nie an einen
Platz, sondern es wird gleichsam immer verdrängt von
dem Unendlichen, und dieses Verdrängen ist die Zeit.
Doch ich sehne mich wieder, um die Wahrheit, daß in
Gott selbst der Grund und das Prinzip des Todes zu suchen
sei, weiterzuentwickeln und zu erkennen, zurück zu den
lebendigen und inhaltsreicheren Bestimmungen, in denen
zuerst die Sache betrachtet wurde.
Gott ist die Liebe als Subjekt und Substantiv. Es ist
aber, wie bereits gesagt, die Liebe, wenn du sie auch nur
betrachtest, wie sie im Menschen erscheint, ein verzehrendes
Feuer. Das Einzelsein und Besonderssein, das Vielerlei
und Allerlei, das außerdem für dich Dasein und Realität
hat, wird von der Liebe vernichtet und 1 verzehrt. In dem
geliebten Gegenstand, der dir eines und alles ist, und vor
ihm wird dir alles von ihm Unterschiedne und Abgetrennte,
das dir außerdem etwas wäre, nichts. Alle Vielfachheit und
Verschiedenartigkeit geht in dir unter, indem die Liebe in
dir aufgeht, ihr Entstehen ist das Verschwinden alles be-
sondern Daseins. Du bist nicht mehr da, indem du liebst2,
1 vernichtet und H gestrichen
2 bist . . . liebst: bist, indem du liebst, nicht mehr da H, auf
Beiblatt in H: Sie nur fühl' ich, nur sie, die Umschlingende. -
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften