Seite - 230 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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innerste und äußerste Grund ist: inwendig nach der Kraft
und äußerlich nach der Gestalt. Und daß ich ferner sprach:
Ihre Höhe ist so hoch als Gott, das verstehest du in dir
selber, daß sie dich in sich so hoch führet, als Gott selber
ist, daß ich aber gesprochen: Ihre Größe wäre größer als
Gott, das ist auch wahr, dann wo Gott nicht wohnet, da
gehet die Liebe hinein, dann da unser lieber Herr Christus
in der Höllen stand, so war die Hölle nicht Gott, aber die
Liebe war da und zerbrach den Tod: Auch wann dir Angst
ist, so ist Gott nicht die Angst, aber seine Liebe ist da und
führet dich aus der Angst in Gott: Wann Gott in dir sich
verbirget, so ist die Liebe da und offenbaret ihn in dir. Und
daß ich weiter gesagt, der findet nichts und alles, das ist auch
wahr, dann er findet einen übernatürlichen, übersinnlichen
LTngrund, da keine Stätte zu ihrer Wohnung ist, und findet
nichts, das ihr gleich sei; darum kann man sie mit nichts
vergleichen, dann sie ist tiefer als ichts (etwas), darumb ist
sie allen Dingen als ein Nichts, weil sie nicht faßlich ist, und
darumb, daß sie nichts ist, so ist sie von allen Dingen frei
und ist das einige Gute, das man nicht sprechen mag, was es
sei. Daß ich aber endlich sagte: Er findet alles, wer sie fin-
det, das ist auch wahr, sie ist aller Dinge Anfang gewesen
und beherrscht alles, so du sie findest, so kommst du in den
Grund, daraus alle Dinge sind herkommen und darinne sie
stehen, und bist in ihr ein König über alle Werke Gottes."
Die entgegengesetzten Bestimmungen der Freude und
des Schmerzes, des Seins und Nichtseins, die in der Liebe
eines sind, lassen sich auch 1 zurückführen auf die entgegen-
gesetzten Bestimmungen der Einheit und des Unterschieds.
Die Liebe eint ebensowohl, als sie unterscheidet, aber sie
unterscheidet nicht wie der falsche Verstand der Ver-
ständigen, die den Unterschied nur in der Abwesenheit der
Einheit, die Einheit nur in der Abwesenheit, im Mangel
und 2 Defekt des Unterschieds finden, sondern sie eint im
Unterscheiden und unterscheidet im Einigen. Erst in der
Liebe — denke nur zum Beispiele an den Menschen — ent-
steht ja die Unterscheidung in Subjekt und Objekt; das
allererste und ursprünglichste Selbstbewußtsein des Men-
1 H in Klammem gesetzt.
2 Mangel und H gestrichen
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften