Seite - 259 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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mehrere Menschen existieren, nur eine Seele in dem Körper
ist, so ist es auch unbezweifelt gewiß, daß in der weiten
großen Schöpfung es nur einen belebten und beseelten Punkt
gibt und daß dieser lebensvolle Punkt die Erde ist, die Seele
und der Zweck des großen Weltalls.1
Alles, was ist, hat eine Geschichte oder Vergangenheit,
d. i . , es ist nicht unmittelbar da, wie es ist, noch ist es
unmittelbar durch sich selbst und von sich selbst das,
was es ist, es hat hinter seinem Dasein und hinter dem,
was es ist, ein vorausgehendes, es bedingendes Sein,
oder alles, was ist, hat hinter seinem Sein ein andres
Sein zu seinem Grund und Hintergrund. So ist der Körper
der Hintergrund der Seele, er ist gleichsam die vergangne,
die gewesne Seele, ihre Vorwelt, d. h., er ist die Bedingung
der Seele, diese setzt ihn voraus; die Seele kann nicht ohne
Körper sein. Der Körper ist daher insofern selbständig,
als die Seele nicht ohne ihn sein kann, er an sich ihr vor-
ausgeht, und die Seele erscheint insofern abhängig, als sie
ihn notwendig zu ihrer Voraussetzung hat. Allein indem
die Bedingung ihren Zweck und ihr Wesen nicht in sich
selbst, sondern in dem hat, wovon sie Bedingung ist, so
wird dieser Schein vernichtet, die Bedingung wird zu
einem bloßen Mittel, Instrument erniedrigt; der Körper
ist nur bestimmt für die Seele, sie ist der Zweck, die Be-
stimmung seines Daseins. Der Körper, alle Teile in ihm
geben daher ihre Selbständigkeit, Materialität auf und
bringen durch dieses Aufopfern ihres eignen Seins eine
Wirkung hervor: die Seele, die aber nur scheinbar, für das
sinnliche Auge, dem die Bedingung als das erste und Vor-
nehmste dem Wesen nach erscheint, Wirkung ist; denn in
Wahrheit ist die Seele viel mehr als der Zweck des Körpers,
die innere, geheime geistige Ursache desselben, der ver-
borgne Grund und das Prinzip, das die Bedingung selbst
zur Bedingung macht.1
Gleichwie nun der wahre und wesentliche Zweck immer
in einer Entfernung von dem liegt, was dieses Zweckes
wegen da ist, gleichwie der Zweck nicht unmittelbar da
ist, sondern erst aus einer langen Reihe von Mittelgliedern
sich hervorhebt, die zugleich vor der Wirklichkeit des
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften