Seite - 284 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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bar eins sein mit dem Leben der irdischen Wesen, so daß
das Leben dieser Pflanze, dieses Tiers an und in sich selbst
die [un]unterbrochne1 Kette jener himmlischen Wesen wäre.
Diese Pflanze z. B., die jetzt blüht, hat nach der da-
maligen melancholischen und finstern Einrichtung2 der
Natur einen bestimmten Termin ihres Lebens; auf dem
Punkte, wo sie jetzt an ihr Ende kommt, würde ihr Leben
etwa auf dem Uranus oder des Uranus in ihr beginnen;
wie sie sich früher durch Blatt, Stengel und Blüte hindurch
entwickelte, so würde sie sich dann durch die höhern
Wesen des Uranus hindurch entwickeln; wie in der phan-
tastischen Arabeskenmalerei, so etwa würden aus Stengeln
und Blumen die himmlischen Wesen hervorkeimen. Nach
Beendigung ihrer Uranusperiode begänne wieder die Pe-
riode eines andern Sterns in ihr, und so fort bis ins Un-
endliche. So wäre dann keine Lücke in der Natur, kein
Lebensmangel nur so, wenn die in deiner Phantasie von
diesem Leben durch den Raum abgetrennten, die Lücken
nicht ausfüllenden, den Schmerz des Todes nicht stillen-
den, selbständigen Bewohner der Himmelskörper Perioden,
Lebensformen und Zustände3 der Tiere, Pflanzen und Men-
schen wären, Ansätze und Zusätze zu ihrem eignen Leben.
Zugleich dürften aber jene himmlischen Perioden nicht ab-
getrennt und unterschieden sein von ihren andern Lebens-
formen, sonst wäre ja die Pflanze in ihrer Uranusperiode
eine andere als in der Erdperiode, und mit jeder Verände-
rung träte ein Nichtmehrsein, eine Lücke ein, die auszu-
füllen, die ein Mangel in der Schöpfung wäre. So nur
würde die Welt ganz vollkommen sein, wenn keine Ver-
änderung in ihr wäre, denn in jeder Veränderung vergeht
etwas und entsteht daher mit diesem Vergehen ein Nicht-
sein, ein Mangel, und da 4 alles Leben auf Veränderung be-
ruht, so 5 wäre also nur dann kein Lebensmangel in der Welt,
wenn gar kein Leben wäre; nur wenn gar kein Leben gesetzt
ist, wirst du auch keine Verneinung des Lebens finden.0
1 So ergänzt auch B. 2 „Einrichtung" B
3 und Zustände Fehlt in B.
4 da Hinzufügung im Druckfehlerverzeichnis zu Ä und in B.
5 beruht, so Im Original A: beruht. So Hier berichtigt nach
B und dem Druckfehlerverzeichnis zu A.
6 In A und B vor dem folgenden Absatz eine Leerzeile.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften