Seite - 295 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
Bild der Seite - 295 -
Text der Seite - 295 -
menschliche Gestalt also ist nur darum schöne., weil sie die
letzte ist, weil sie der äußerste Endpunkt aller sinnlichen
Individualität und Körperlichkeit, weil hier die Natur von
sich selbst Abschied nimmt, in den Geist verschwindet.1
Betrachte aber auch ferner den lebendigen Leib als leben-
digen, als organischen2, vergleiche ihn gegen Stein, Wasser,
Erde oder gar gegen ein mechanisches Werk oder gegen
deine Vorstellung von dem Körperlichen, Materiellen. Ist
etwa auch der lebendige organische Leib zusammenge-
setzt? Aus Teilen, die auseinandergelegt werden können,
zusammengesetzt? Sowenig du das Licht zerlegen kannst,
sowenig sich die Seele teilen läßt, sowenig kannst du den
organischen Leib teilen.3 Er ist nur organischer als leben-
diger, als lebendiger ist er aber unteilbare Einheit, unzer-
trennbares, absolutes Ganzes. Zerteilst du ihn, so hat er
schon aufgehört, organischer, lebendiger zu sein; indem du
ihn teilst, stirbt er, er ist nicht mehr, und eben hierin,
daß er geteilt stirbt, beweist er seine unteilbare Einheit;
wäre er teilbar, so müßte er nach der Teilung noch leben.
Mit der Zerteilung geht alles unbedingt, ungeteilt zugrunde,
und eben dieses unbedingte Nichtsein, dieser ungeteilte
Tod ist daher das sichtbarste Zeugnis von der unauf-
löslichen, unbedingten Einheit des organischen, lebenden
Leibes. Du sagst: Ein Körper ist, was teilbar ist, dessen
Teile außereinander sind. Allein die Teile des organischen
Leibes sind nicht Teile, sondern Glieder, sie sind nicht
außereinander, sondern ineinander, sie sind nur äußerlich
getrennt, aber ihrem Zwecke, ihrem Wesen nach, welches
eben die Seele4 ist, sind sie eines, denn sie alle zusammen
bringen nur einen Zweck, eine Tätigkeit, ein Gefühl,
welche eben das Leben sind,5 hervor. Und wegen dieser
Auflösung der Teile zu Gliedern zu einem Zwecke6, wegen
1 die schöne Gestalt ist die letzte sinnliche verschwindet.
Fehlt in B (siehe oben, Fußnote 8 zu Seite 2g3). Mit dem
folgenden beginnt in B ein neuer Absatz.
2 aber auch . . . organischen: nur mit Aufmerksamkeit den
lebendigen, organischen Leib B
3 Sowenig du . . . teilen. Fehlt in B.
, l die Seele: das Leben B
5 Gefühl, . . . sind,: Gefühl: das Leben B
l j Gliedern . . . Zwecke: Organen eines Zwecks B
295
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften