Seite - 306 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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Gedanke, ein bestimmter ausgesprochener oder in einem
einzelnen Gedanken aussprechbarer Grundsatz, sondern die
Denkart selbst; alles Denken beginnt im Sein und vom Sein ,
und dieses Sein, von dem das Denken beginnt, ist eben
die Art und Weise des Denkens; das wesentliche Sein eines
Individuums ist daher auch die Art seines Denkens, denn
von dieser hängt ab und wird bestimmt seine Gefühls-,
Sinnes- und Handlungsweise, sein übriges Sein überhaupt,
denn wie es die Welt vorstellt, ist sie auch für es, und
wie ihm die Welt und was sie ihm ist, so und das ist es
selbst. Deine bestimmte und besondere, nie die Feuer-
probe der Skepsis und Negation bestanden habende Art
des Denkens ist nun also für dich das absolute Grundprinzip
wie deines Seins, so aller deiner Vorstellungen, Gedanken
und Anschauungen. In den Folgen aber aus diesem Prin-
zipe, in der Anwendung desselben, in der Bestimmung der
Gegenstände aus demselben und nach ihm, d. i . in deinen
bestimmten Vorstellungen, Erkenntnissen und Anschau-
ungen dämmert in dir auf das Bewußtsein des Mangels,
der Grenzen derselben und damit ihres Prinzips selbst. Da
aber nur innerhalb der Folgen, nur in den bestimmten Vor-
stellungen, nicht im Anfange selbst, nicht im und am Prin-
zipe selbst die Grenzen und Mängel deines Prinzips dir
Gegenstand werden und die von dir vorgestellte W'elt da-
her für die wirkliche selbst gilt, indem dir die bestimmte
Art deines Vorstellens und Denkens die Vernunft selbst,
unbezweifelbar wahr, das wesentliche Sein selbst ist, so
machst du den Mangel deiner Erkenntnis zu einem Mangel
der Welt, und da dir der Geist, der Mut, der ernste freie
Wille gebricht, deinen Standpunkt selbst, das Grundprinzip
deines Denkens und Seins, aufzugeben, gehst du, statt in
das freilich zermalmende Bewußtsein der Nichtigkeit und
Schranke deiner Denk- und Erkenntnisweise einzugehen,
über die vermeinten Schranken der für die wirkliche Welt
gehaltnen vorgestellten Welt hinaus, und das Jenseits steht
nun so in seiner vollen Pracht und Herrlichkeit da. Die
Grenze zwischen deiner Vorstellung von der Welt und zwi-
schen der wahren, wirklichen Welt selbst, weiter nichts ist
dein Jenseits; es ist die dir jenseitige, entfernte, über deiner
Denkart liegende, wahre und wirkliche Erkenntnis der
Wirklichkeit. Da, wo du aufhörst zu denken, da fängt erst
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften