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in der Bejahung, in dem Genüsse, in der Anschauung
des geliebten Gegenstandes; allein das Todesurteil, das du
eben durch die Liebe, durch die Anerkennung der Wesen-
haftigkeit deines Gegenstandes über dich selbst aussprichst,
hätte keine Wahrheit in sich, wenn es nicht auch an deinem
ganzen natürlichen Sein, an deinem Leben vollzogen wür-
de, wenn deine Endlichkeit, die du in der Liebe durch die
Verbindung mit dem Gegenstande aussprichst, nicht auch
für sich selbst hervorträte, wenn nicht dein als solches ein-:
sames und verlaßnes Fürsichsein selber als Fürsichäein
offenbar würde, du nicht stürbest; denn der Tod ist eben
die Offenbarung deines einsamen und verlassnen Fürdich-
seins. Die Unendlichkeit und Wesenhaftigkeit des geliebten
Gegenstandes, in der Verbindung mit welchem und in der
Begründung durch welchen du allein bist, Leben hast, die
Notwendigkeit der Liebe und die Nichtigkeit deines bloßen
Selbsts, deines Fürsichseins, offenbart sich nur dadurch,,
daß dein Für-dich-selbst-sich-Setzen, dein Selbst, wenn es
nur für sich ist, abgezogen und abgetrennt von dem Wesen
und Leben in der Gegenständlichkeit überhaupt und be-
sonders in dem geliebten Gegenstande, in dem Augenblick,
wo es für sich selbst allein auftritt und sich lossagt von der
Verbindung mit der Gegenständlichkeit und dem gelieb-
ten Inhalt, welche während des Lebens eine ununterbrochne
oder doch nur durch Verbindungen anderer Art unter^
brochne Verbindung ist, nichts ist, nichts wird. Einmal nur
bist du reines Ich, bloßes Selbst, einmal nur für dich ganz
allein, und dieser Augenblick ist der Augenblick des Nicht-
seins, des Todes. Und der Tod ist daher, eben weil er die
Offenbarung deines Fürdichseins ist, in einem die Offen-
barung der Liebe; es tritt in ihm dein Fürdichsein für sich
selbst auf, aber ebendann, daß dieses Selbst im Augen-
blick der Isolierung tot, nichts ist, in dem Augenblick, wo
es ohne den Gegenstand sein will, nicht ist, ist er Offen-
barung der Liebe, Offenbarung, daß du nur in und mit
dem Gegenstand sein kannst.1
Deine Moralität ist daher die unmoralischste, die er-
bärmlichste, eitelste, nichtigste Moralität von der Welt,
wenn sie aus dem Glauben an die Unsterblichkeit her-
1 In A folgt Leerzeile vor dem nächsten Absatz.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften