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[260.] Geschichtliche Reflexion
Einst war der Glaube kein Zwang, er kam aus dem Innern
der Menschen,
War der Geist selbst der Welt, Wahrheit darum und
Vernunft;
Damals war er ja noch die im Keim verschlossene Zukunft,
Die dann als Blut' und Frucht reifete herrlich hervor.
Aber die Zeit und der Ort sind selbst dem Wahren nicht
ferne,
Ihre Bande ja legt freiwillig Gott selbst sich an;
Nur zur gehörigen Zeit, wißt, und am schicklichen Orte
Ist im geschichtlichen Lauf etwas vernünftig und wahr.
Jetzt ist darum der Glaube nur Geisteszwang und Be-
klemmung,
Unvernunft, unwahr, lästiger, elender Druck:
Denn er hat ja erfüllt längst seine hohe Bestimmung,
Daß der menschliche Geist nimmer des Glaubens be-
darf, i
[261.]2 Das einzig vernünftige memento mori
[Gedenke des Todes!]
Sei nur vornehm nicht, laß selbst bis3 zum Steine herab
dich,
Fühl' auch selber mit dem4, was des Gefühls ist beraubt,
Teile dein Leben mit dem, was ewig5 lebet den Tod nur;
Oh, dann ist dir gewiß sanft wie die Liebe der Tod!
[262.] Halt' es nicht für einen Raub,
Knechtsgestalt anzunehmen.
Was ist der Tod? Nicht Tod, nur die Handlung, wo die
Krone
Und den Szepter ablegst, die du im Leben geführt.6
1 Geschichtliche Reflexion. Einst war . . . Glaubens bedarf.
Fehlt in B.
2 In B Nr. 95.
3 vornehm . . . bis: nicht vornehm, laß selber B
4 auch . . . dem: in das dich hinein B
5 ewiglich B
6 Halt' es nicht für . . . Leben geführt. Fehlt in B.
36 Feuerbach 1 483
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften