Seite - 567 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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Luft herumhüpfen und -tanzen sah. Wenn er sie nicht
fixierte, so dauerten sie nicht nur fast ebenso lange, als
er mit seinen Arbeiten beschäftigt war, sondern sie nahmen
auch noch zu an Glanz und Lebhaftigkeit; wenn er sie
aber fest betrachten wollte, verschwanden sie. Seht, die
Geister unserer alten, neuern und neusten Geisterseher
sind auch sonst nichts weiter als solche in der Luft herum-
tanzende Fünkchen, die wohl eine kindische Phantasie
entzücken und beschäftigen können, auf der Stelle aber
verschwinden, sowie man sie fixiert, mit den festen Blicken
des Verstandes betrachtet. Denn die Wesenhaftigkeit,
Realität, die Dauer des Menschen hängt einzig von der
Wesenhaftigkeit, der Realität, der Dauerhaftigkeit seiner
Gedanken, Empfindungen und Gesinnungen ab; nur diese
sind die Urelemente seiner geistigen Existenz.
„Zwei Scholaren", so leitet der vortreffliche Gil-Blas
von Santillana seine Erzählung ein, „gingen einmal mit-
einander von Pennafiel nach Salamanka. Unterwegs trafen
sie eine Quelle an und setzten sich, um sich zu erholen
und ihren Durst zu löschen, an ihrem Rande nieder.
Während daß sie hier sich ausruhten, bemerkten sie zu-
fällig neben sich auf einem liegenden Steine einige Schrift-
züge, die schon ziemlich durch das Alter und durch die
Fußtritte der Herden, die an dieser Quelle getränkt wurden,
ausgelöscht waren. Sie gössen Wasser auf den Stein, um
ihn zu reinigen, und erkannten folgende Worte in kasti-
lianischer Sprache: Aqui estä encerrada el alma del
licenciado Pedro Garcias. ,Hier ist begraben die Seele
des Lizentiaten Peter Garcias.'
Der Jüngere von den beiden Scholaren, der ein unbeson-
nener Mensch war, hatte kaum die Inschrift zu Ende
gelesen, als er schon in lautes Gelächter ausbrach und
sagte: Kann man sich wohl etwas Komischeres denken?
Hier ist die Seele begraben — eine begrabene Seele! — Ich
möchte das Originalstück kennen, das eine so lächerliche
Inschrift gemacht hat. Wie er diese Worte gesprochen
hatte, erhob er sich auch schon, um wieder fortzugehen.
Sein Reisegefährte aber, der mehr Verstand hatte, sagte
bei sich selbst: Darunter steckt ein Geheimnis; ich will
hier bleiben, um es zu entdecken. Er ließ daher seinen
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften