Seite - 568 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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Kameraden weiterziehen, und ohne Zeit zu verlieren, grub
er mit seinem Taschenmesser die Erde um den Stein herum
auf. Diese Arbeit gelang ihm auch so gut, daß er endlich den
Stein aufheben konnte. Er fand unter ihm einen ledernen
Beutel, und, als er ihn öffnete, siehe, da waren hundert
Dukaten darin nebst einer Karte, auf der folgende Worte in
lateinischer Sprache geschrieben standen: , Sei mein Erbe,
du, der soviel Geist und Witz hat, den Sinn dieser Inschrift
zu erraten, und mache von meinem Gelde einen besseren
Gebrauch als ich.' Entzückt über diesen Fund, legte der
Scholar den Stein wieder an seinen alten Platz und machte
sich auf den Weg nach Salamanka, bepackt mit der Seele
des Lizentiaten." Oh, Don Peter Garcias, was warst du für
ein heller, ein gescheuter Kopf! Du hättest den Leuten die
Geister- und Gespensterseherei aus dem Leibe treiben
können, du wärst wie das lebendige Fegefeuer unter sie
hineingefahren! Schade, jammerschade, daß du so früh
gestorben bist! Und wenn auch gleich deine Grabschrift
nichts w<eiter war als nur ein isolierter witziger Einfall, so
schmälert das dennoch deinen Ruhm, mit dieser Stern-
schnuppe deines Geistes einen erleuchtenden Blick in das
dunkle Wesen des Menschen geworfen zu haben, so wenig,
als die Birne, die einst Newton auf die Nase fiel und zur
Entdeckung des allgemeinen Gravitationsgesetzes verhalf,
das Verdienst der Erfindung ihm streitig macht. Wollen wir
darum deinen Manen, erfindungsreicher Garcias, feierlichst
opfern, und wenn wir auch nicht mehr die Erben deiner
hundert Dukaten sein können, wreil schon jener scharfsin-
nige Scholar — oh, möge er doch zum Lohne seiner Arbeit
und seiner sinnreichen Entdeckung sich recht gütlich damit
tun — uns zuvorgekommen ist, so wollen wir doch wenig-
stens die Erben deines Geistes sein und den Schatz heben,
der unter dieser deiner Inschrift verborgen liegt! Das, was
dem Menschen Tag und Nacht keine Ruhe läßt, was ihm
nie aus dem Kopf und dem Herzen kommt, worüber er
seinen Abend- und Morgensegen zu beten vergißt, wonach
er bis nach Rom, wenn er es dort und nicht anderswo findet,
barfuß über Dornen und Disteln läuft, ohne die Schmerzen
zu scheuen, oft auch nur zu empfinden, das, was ihn sein
ganzes Leben lang an der Nase herumführt, was ihn mit
unwiderstehlicher Macht an sich fesselt, was ihn so ge-
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften