Seite - 579 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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aber in der Tat ein ebenso gemeiner Patron wie ihr, nichts
weiter als euer Trink- und Schmollisbruder, obgleich von
euch als euer oberster Gebieter verehrt, doch nur euer Fürst
von Toren ist.
Das Leben möchte nur gar zu gerne den Jakob spielen
und, wie dieser seinen Bruder Esau, den Geist um die
Rechte seiner Erstgeburt betrügen. Es ist daher nur zu
oft sein größter Gegner, verfolgt ihn heimtückisch auf allen
seinen Schritten, spielt ihm bei jeder Gelegenheit einen
bösen Streich und sucht ihn, neidisch auf seine einzigen
Güter, seine Freiheit und Ruhe, in sein Elend und seine
Schmach herabzuziehen und gerade an den edelsten und
empfindlichsten Teilen mit den Stachelschweinsborsten
seiner Sorgen und Intrigen zu verwunden. Es ist die Xan-
tippe des Sokrates, die Nürnbergerin, die Albrecht Dürers
Unglück war, ein böses, ränkevolles, zänkisches, geiziges
Weib; die notwendigsten Bedürfnisse sucht es ihm zu
entziehen oder doch zu schmälern; alles, was sich der
Geist zugute tut, das muß er im Rücken dieses Weibes tun.
Glücklich sind die Geister, für die das Leben kein böses
Weib, sondern nur ein böser Gassenbube ist, der von Zeit
zu Zeit durch Steinwürfe und andere boshafte Streiche und
Ungezogenheiten sie in dem Frieden ihrer Wohnungen
stört. Den Schlüssel zu dem Leben manches Schriftstellers
haben wir daher nur dann, wenn wir erkennen, daß er alle
Stunden, die er seiner geliebten Gebieterin, seiner Muse,
zuwandte, im eigentlichen Sinne dem Leben abrang und,
um zu diesem Zwecke zu gelangen, sich oft solche Mittel
erlaubte, die vor dem Zuchtpolizeigerichte einer bornierten
Moral für sträflich gelten. Aber wenn man diese als kom-
petente Richterin anerkennen wollte, so müßten selbst die
genialsten und zugleich unschuldigsten Mittel, die so viele
Schriftsteller anwandten, um ihrer Muse etwas zukommen
zu lassen, und die sich jeder, der den Musen lebt, mehr
oder weniger erlaubt, als unmoralische angesehen werden.
Der französische Dichter Dufresny hatte in Paris immer
mehrere Quartiere, damit man nicht wüßte, wo er sich
aufhielte, und er sich so nicht nur den Besuchen seiner
Gläubiger, sondern auch lästiger Freunde entzöge. „Ein
Unbekannter verlangte einst Voltaire zu sehen, der bekannt-
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften