Seite - 581 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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oder doch den Wunsch ihrer Väter die Frucht der Un-
sterblichkeit, von einem unwiderstehlichen Gelüste dazu ge-
trieben, von dem Baume der Erkenntnis gebrochen haben.
Diese Erscheinung hat ihre guten Gründe. Die Welt ist
keine Freundin von Novitäten; wohl in Kleidungen und
Luxusartikeln liebt sie Veränderungen, keineswegs aber
in Dingen, die ihr zu Leibe gehen. Sie wünscht commodi-
tatis causa [aus Bequemlichkeitsgründen], daß alles beim
alten bleibt1, daß der Enkel dieselbe Straße geht2, die
schon der Großvater gegangen ist, und wenn auch die
Straße durch den Unverstand der Baumeister so unge-
schickt und widersinnig angelegt oder auch deswegen, weil
die lieben Großväter aus zu ihrer Zeit vorhandnen zufälli-
gen Umständen solche Umwege zu machen gezwungen
waren, so außerordentlich krumm ist, daß man zu einer
Strecke Wegs, die man recht gut in einer kleinen halben
Stunde zurücklegen könnte, eine gute deutsche Meile
braucht. Die Welt begünstigt darum nicht das Empor-
kommen guter Schriftsteller, denn gute Schriftsteller sind
immer nur solche, die entweder an sich oder für ihre Zeit
neue Gedanken und Anschauungen mitbringen, und wo
hat je noch einer eine neue Idee geäußert, die nicht einiges
derangement in die Welt brachte? Die Welt hält's darum
immer mit den Alten. Denn die Alten, die den schönsten
und größten Teil ihres Lebens bereits hinter sich haben,
lieben zufolge dem3 richtigen Satze4 „Simile Simili gaudet
[das Ähnliche hat Freude am Ähnlichen]" notwendig das
Alte, das junge Volk dagegen, das umgekehrt den schön-
sten und größten Teil seines Lebens noch vor sich hat,
das Neue, Frische, Junge, daher es oft mit Ungeduld selbst
die unreifen Äpfel und Zwetschgen begierig vom Baume
pflückt. Das junge Volk steht auf einem rein idealistischen
Boden, es wächst mit einer Zeit heran> die noch nicht ist,
erst wird; Hoffnungen und Erwartungen aller Art ist damit
ein unbegrenztes Feld geöffnet; es fehlt ihm an einem
Maße in seinem Glauben an das Mögliche, und eben in
1 bleibe C
2 gehe C
3 des C
4 Satzes C
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften