Seite - 583 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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zwängen, an dem unbesiegbaren Zuge seiner Natur wir-
kungslos scheitern. Dennoch steht sie nicht davon ab, bei
jeder sich von neuem darbietenden Gelegenheit ihre abge-
droschenen Manöver wieder anzuwenden und die Alten gegen
die Jungen, als gottlose Ketzer, aufzuhetzen, und sucht sich
für den Ärger über ihre abermals erfolglos gebliebnen An-
strengungen wenigstens durch den schadenfrohen Gedanken
zu entschädigen, daß sie den Schriftsteller im voraus bei den
Leuten in Mißkredit gesetzt hat, indem sie ihn nötigte, seine
literarische Laufbahn mit einer Sünde gegen den Dekalogus
zu eröffnen. Es ist daher höchlich zu verwundern, daß wir
noch kein Buch haben, das ausschließlich die traurigen
Lebensanfänge der Herrn Literaten zum Gegenstande hat,
da uns doch bereits der Italiener Pierius Valerianus mit
einem schönen Büchlein „de infelicitate literatorum" be-
schenkt hat, das fast nur von dem jammervollen Ende der
Gelehrten seiner und der nächstverflossnen Zeit handelt.
An Stoff fehlte es wahrlich nicht zu einem solchen Opus.
Fast allen Genies kam das Entree ins Theater der Welt
sehr teuer zu stehen, weil jedes Mal abonnement suspendu
[das Abonnement aufgehoben] war, wenn der Theater-
direktor eine neue Benefiz Vorstellung zum Besten der
Armen geben wollte, während von jeher die mittelmäßi-
gen Köpfe; aller Art Freibillets hatten, weil sie nur die
langweiligen Repetenten und Kommentatoren der großen,
meist unverständlichen Geister waren, aber eben wegen
dieser ihrer praktischen Brauchbarkeit von der Welt mehr
begünstigt und honoriert wurden als die Originalköpfe,
denen sie doch allein das tägliche Brot ihres Geistes zu
verdanken hatten.
Kann man's der Welt verübeln, daß sie die Schriftsteller,
die Kinder des Geistes, so aufnimmt und traktiert, als es
vort jeher von ihr geschah? Mitnichten! Principiis obsta.
Sui cuique mores fortunam fingunt. Noscitur ex socio,
qui non cognoscitur ex se. [Wehre den Anfängen. Jedem
bereiten die Sitten das Geschick, das ihm gebührt. Wer
nicht aus sich zu erkennen ist, den lernt man aus seinem
Umgang kennen.] W7arum lassen sich die Herrn Literaten
mit dem Geiste ein, der von jeher bei der Welt schlecht an-
geschrieben war, da er sie stets in lauter unangenehme
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften