Seite - 584 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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Händel verwickelte, und nur solche Manieren und Eigen-
schaften hat, die ihren Gebräuchen, ihrer Denkungsart,
kurz, ihrem ganzen Wesen radicitus [von Grund auf] ent-
gegengesetzt und zuwider sind? Denn pro primo [fürs
erste] ist der Geist ein aventurier [Abenteurer], ein Vaga-
bund sondergleichen. Man weiß eigentlich jetzt noch nicht
genau, wie, warum und woher er in die Welt gekommen ist.
Er kommt in sie hinein ohne Paß, ohne alle Legitimation
und Empfehlungsschreiben, wie zur Zeit der wiedererwach-
ten Wissenschaften, wo eine wahre generatio spontanea
oder aequivoca [Urzeugung] von Genies aller Art war.
Zwar annonciert er immer vorher schon im Intelligenzblatte
seine neuen Werke, dessenungeachtet kommt er jedoch stets
zur ungelegnen Zeit und so unerwartet an wie Karl XII.
zu Stockholm. Er klopft zwar an der Türe der Welt an;
aber ohne zu wrarten, bis man sich zurechte gemacht hat
und ruft: Herein!, ist er schon mitten in der Stube und hat
auch schon richtig, als wäre er der Herr im Hause, neben
dem betroffnen Eigentümer ohne alle Komplimente Platz
genommen. Schon der erste Eindruck, den der Geist bei
seinem Auftreten auf die Welt macht, ist also keineswegs
geeignet, ihn bei ihr zu empfehlen, da sie im höchsten Grade
zeremoniell ist, von jedem, der sich bei ihr meldet, verlangt,
daß er sich vorerst durch die endlose Schneckentreppe un-
zähliger Kopf- und Rückenkrümmungen hindurchwindet1
und die Imputationstheorie der Chinesen, die2 die Schuld
der Väter den Kindern3 büßen lassen, auf entgegenge-
setzte Weise praktiziert4, indem sie nämlich die Verdienste
des Ur-Ur-Großpapas dem Ur-Ur-Enkel anrechnet und den
nur allein passieren läßt, der auf dem Dreikreuzerstempel-
bogen seines Kopfes das Visum einer Autorität öffentlich
zur Schau trägt. So konnte einst Leibniz nur dadurch sich
der Gefahr entziehen, von italienischen Schiffern über
Bord geworfen zu werden, daß er, sowie er ihr Vorhaben
merkte, die Geistesgegenwart hatte, geschwinde einen Ro-
senkranz, den er offenbar absichtlich auf seiner Reise durch
Italien bei sich führte, aus der Tasche herauszuziehen.
1 hindurchwinde C
2 welche C
3 den Kindern: die Kinder C
4 ausübt C
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften