Seite - 599 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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seine Verrücktheit bemessen könnt — selbst in den letzten
Momenten des Lebens, wo ein ehrlicher Christ an ganz
andere Dinge denkt, noch darĂĽber mit seinem Medico par-
lierte, wie der Herr von Furtembach die Hälfte eines eiser-
nen Nagels in Gold verwandelte, und, als er schon mit dem
Tode rang, noch Schreibmaterialien verlangte, und wie er
nicht mehr erkennen konnte, was er darauf geschrieben,
das Blättchen Papier zerriß, die Schlafmütze über das Ge-
sicht hereinzog, sich zur Ruhe legte und verschied, als
wäre er trotzig darüber, daß er nicht mehr lesen könne, als
wäre das punctum satis [der Endpunkt] des Lebens einge-
treten, wenn man nicht mehr das TĂĽpfelchen auf dem i
und kein Komma von einem Semikolon unterscheiden
könne. Oft ist er wie jener — Gott sei bei mir! Oh, ihr
Patres sancti [heilige Väter], ihr Cyrille, Augustine und
Hieronymusse, ihr Simones Stylitä alter und neurer
Zeit, ihr Heiligen samt und sonders steht meiner Seele
bei, wenn ich seinen Namen ausspreche! — jener Spinoza,
dieser verdammte Ketzer — nun, der liebe Gott hat ihn
aber auch dafĂĽr schon im voraus, zum warnenden Exempel;
gezeichnet und gezĂĽchtigt, indem er ihn in dem von ihm
verstoßnen Judenvolk geboren werden ließ — seht! das
sind die säubern Modelle, nach denen er sich richtet —
Monate lang nicht aus seiner Studierkammer gekommen,
wie ein Duckmäuser, als hätt' er was Böses im Sinne und
auf dem Gewissen. Oft hat er, während unsereins Pläsier
und Arbeit in den gehörigen Portionen untereinander mengt,
täglich nach getaner Arbeit zur gehörigen Zeit ins Wirts-
haus geht, wie's seit undenklichen Zeiten unsrer frommen
Väter Brauch war, oft, sage ich, hat er, wie jener luf-
tige französische Gentilhomme Descartes, mit dem's auch
nie justement1 im Kopfe war — was ihr schon daraus
sehen könnt, daß er in seiner „Philosophia prima" — oh,
der Hochmutspinsel! — dem Herrgott ins Handwerk
pfuschen wollte — ein ganzes Jahr über nichts getan als
den Kavalier gespielt, mit den Damen geschäkert, die
Spielhäuser, den Tanz- und Fechtboden besucht, dann
aber wieder plötzlich bei Nacht und Nebel sich aus dem
Staube gemacht, in die schauerlichste Einsamkeit zurĂĽck-
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften