Seite - 614 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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stirne beobachtete, eine vor seinen Füßen liegende Grübe
nicht und fiel hinein. Ein altes Weib, das seine Magd oder
vielleicht auch nur ganz zufällig da war (was ich nicht mehr
weiß, es ist aber auch ganz einerlei), lachte ihn darüber aus,
und es tat daran wohl, denn es war ein altes Weib, und die
Gemeinheit lacht ihn noch heute deswegen aus, und sie
hat dazu als Gemeinheit ein unbestreitbares Recht. „Stört
mir meine Zirkel und Figuren nicht", rief Archimedes den
auf ihn einstürmenden Feinden zu und ließ sich von ihnen
niederhauen. Karneades vergaß seine nächsten Bedürfnisse
über dem Studieren, selbst das Essen; seine Mätresse mußte
die Speisen ihm zuschneiden und ordentlich in den Mund
stopfen. „Montesquieu", erzählt Johannes von Müller in
seinen Briefen nach dem Bericht eines seiner Freunde,
„das erste Genie Frankreichs, er, der alles sah und, wie er
es sah, schrieb, war in seinen eignen Sachen wie ein Kind.
Ein listiger Betrüger spionierte die Zeit, wo sein treuer
Sekretär Don Holland abwesend war, kam zu ihm, ver-
sprach um sein Gut la Brede ihm 1000 Taler mehr Pacht-
schilling. Es gefiel, wurde angenommen. Jener setzt einen
Kontrakt auf, den liest Montesquieu, versteht ihn nicht,
unterschreibt aber, denn wie sollte er anders als der Ab-
rede gemäß sein! Wenige Tage nach diesem wird ihm an-
gesagt, auszuziehen. Er erstaunt. Vergeblich. Jenes war
ein Kaufkontrakt; la Brede war weg und in dem Kontrakt
noch dazu der Preis quittiert. Ein Prozeß war unvermeid-
lich, der Ausgang ungewiß, und für Montesquieu ein
Glück, daß der Spitzbube sich mit 1000 Louisd'or ab-
finden ließ. Dem guten Malesherbes begegneten dergleichen
Sachen so viele, daß er endlich ohne seinen treuen Benin
sich nicht mehr getraute, eine Weste zu kaufen." So vergißt
der Mensch in seiner geistigen Tätigkeit die Sorge für das
Leben und seine eigene Persönlichkeit! Anaxagoras opferte
selbst freiwillig sein Vermögen auf, um desto sorgenfreier
und ungestörter sich allein dem Studium der Natur und
der Beschauung des Universums, die er für seinen wahren
Lebenszweck hielt, widmen zu können.
Ihr nennt C. einen unbedeutenden und geistlosen Men-
schen, und euer leichtfertiges Urteil stützt sich darauf
allein, daß er in eurer Umgebung nicht exzellierte. Aber
eure Persönlichkeit, eure Gespräche, eure Sitten und Ma-
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften