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Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
Seite - 625 -
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wäre, da bei uns die Naturwahrheit mitwirken muß, um ein solches Werk hervorzubringen? Ich kenne mich zwar nicht selbst genug, um zu wissen, ob ich eine wahre Tra- gödie schreiben könnte; ich erschrecke aber bloß vor dem Unternehmen und bin beinahe überzeugt, daß ich mich durch den bloßen Versuch zerstören könnte." Allein so verschieden auch, je nach dem Gegenstand und der Art der Produktion, der pathologische Zustand ist, den sie in dem Subjekte hervorbringt und erfordert, und so sehr auch die Schöpfung der Tragödie von allen andern Geistesschöpfungen die er- und angreifendste sein mag, so ist doch die Produktion überhaupt ein Angriff des Geistes auf unsere Existenz und Selbständigkeit auf Tod und Leben. Auch die rein wissenschaftliche, die philosophische Produktion, die nur gedeiht bei vollkommner Herrschaft der Vernunft, ist zugleich Ekstase, ergreift den ganzen Menschen, erregt die lebhafteste Sensation, erfordert und erzeugt die in- nigste persönliche Teilnahme. Jeder wahre Gedanke ist, als freies Vernunftprodukt, zugleich eine durch und durch dringende Determination unsrer unmittelbaren Individuali- tät, ein Stich ins Herz, eine Erschütterung unsres ganzen Seins, ein Opfer unsrer Existenz. Bei den schlechten Autoren war von jeher der Mensch ein kordialer Duz- und Trinkbruder des Geistes, der sein Schöppchen Wein in Gesellschaft mit dem Schriftsteller con amore [mit Lust] ausleerte. Bei den guten wurde der Mensch als Bedienter, Handlanger und Ausläufer von dem Schriftsteller behandelt. Oder — denn auch den guten Au- toren ist natürlich, je nach dem Grade ihrer Güte und ihrem geistigen Charakter und Inhalt, das Verhältnis zwischen Mensch und Schriftsteller sehr verschiedener Natur — der Mensch war bei ihnen der Leibeigene des Geistes, der von dem Schriftsteller zum Kitzel seiner Kopfnerven mit Leib und Seele wie eine Prise Tabak schonungslos verbraucht ward, oder er wurde von dem Schriftsteller nur wie ein Hofnarr oder gar wie ein Affe zu seinem Zeitvertreibe gehalten, um an seinen Possen und komischen Manieren sich zu amüsieren und von den An- strengungen der Autorschaft zu erholen, oder der Schrift- steller ging mit dem Menschen um und spielte mit ihm wie 45 Feuerbach i 625
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Ludwig Feuerbach Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
Titel
Ludwig Feuerbach
Untertitel
Gesammlte Werke
Band
1
Herausgeber
Werner Schuffenhauer
Verlag
AKADEMIE-VERLAG BERLIN
Datum
1981
Sprache
deutsch
Lizenz
PD
Abmessungen
11.6 x 17.8 cm
Seiten
468
Kategorie
Geisteswissenschaften

Inhaltsverzeichnis

  1. Gedanken über Tod und Unsterblichkeit 175
    1. Vorsprüche 177
    2. Demütige Bitte 179
    3. Vorwort des Herausgebers 180
    4. Einleitung 183
      1. I. Gott 203
      2. II. Zeit, Raum, Leben 241
      3. III. Geist, Bewußtsein 318
      4. IV. Reimverse auf den Tod 360
      5. V. Schluß 388
      6. VI. Anhang: Xenien 407
  2. Der Ursprung des Bösen nach Jakob Böhme 517
  3. Abälard und Heloise oder Der Schriftsteller und der Mensch 533
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