Seite - 631 - in Ludwig Feuerbach - Gesammlte Werke, Band 1
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ich mich endlich doch bewegen, meine Bedenklichkeiten
beiseite zu setzen; leider habe ich jetzt Grund genug, es
tief zu bereuen. Solange Sie bei mir wohnen, haben Sie
mir auch noch nicht einen roten Heller bezahlt, und nicht
nur den Mietzins, sogar alles, was ich für Kaffee, Zucker,
Punsch und Tabak auslegte, sind Sie mir bis jetzt schuldig
geblieben. Wie Sie aber selbst wissen, besteht mein Ver-
mögen nur in Grundstücken, besitze ich weiter nichts an
barem Gelde, als was ich aus ihnen löse, und habe ich
damit nicht nur mich selbst, als ehrlichen Mann, sondern
auch noch meine unverheiratete Schwester, das Herz,
meinen alten Vater, den Magen, und fünf unmündige
Kinder, meine Sinne, die alle nach Brot schreien, zu ver-
sorgen. Überdem liebe ich über alles Ruhe und Frieden
im Hause. Aber welchen Spektakel haben Sie mir ins
Haus gebracht! Tag und Nacht Gesellschaft, und was
für Gesellschaft! Nichts als Komödianten, Poeten, Frei-
geister, kurz, Skribenten aller Art, wenn ich's Ihnen
auf richtig sagen soll, nichts als lauter unehrliches Gesindel
ohne Dach und Fach, das einem nur Unsegen ins Haus
bringt. Keinen Augenblick hatte ich Ruhe, solange Sie bei
mir wohnten, nicht einmal ruhig essen und schlafen konnte
ich. Kaum hatte ich mich zu Tische gesetzt, so klingelten
schon wieder Euer Gnaden, und bis ich wiederkam, waren
die Speisen kalt und der Appetit hinweg. Und wenn ich
gerade im ersten besten Schlafe lag, so weckte mich plötz-
lich schon wieder ein Gepolter auf, und Euer Gnaden
brachten noch einen ganzen Schwärm Skribenten nach
Hause; ich mußte noch um Mitternacht Punsch machen,
und die Herren tobten fort bis an den späten Morgen.
Darum sehe ich mich jetzt genötigt, Ihnen die Wohnung
aufzusagen und bis zum Ausziehen höchstens nur einen
Termin von drei Tagen zu gestatten. Übrigens Euer Hoch-
wohlgeboren ganz gehorsamster Diener: Mensch, hiesiger
Bürger und Handelsmann." So verfährt in dem schlechten
Autor der Mensch mit dem Schriftsteller; so beurteilt und
behandelt überhaupt das gemeine Volk alles edle, ideale
Wesen.
„Lieber Schriftsteller, innigst geliebter Freund! Endlich
kann ich wieder Dein sein. Meine Geschäfte sind jetzt
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Band 1
(Gemeinfreie Teile)
- Titel
- Ludwig Feuerbach
- Untertitel
- Gesammlte Werke
- Band
- 1
- Herausgeber
- Werner Schuffenhauer
- Verlag
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Datum
- 1981
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 11.6 x 17.8 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Geisteswissenschaften