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52 Adelsgesellschaft imWandel
währendsichselbstsichereBildungsbürgervondiesemEhrgeizdistanzierten.Für
die IdentitätsbildungdesBürgertumswaresentscheidend,dassdieBürgerlichen
ihreeigenenUmgangsformenundihrenPlatz fandenundsichsowohlgegendie
höherenalsauchgegendieniederenGesellschaftsschichtenabgrenzenkonnten.
GewisseraristokratischerHabituswar jedochimgesellschaftlichenUmgangunver-
zichtbarundsignalisierte sozialenAufstieg.DerVerhaltenskodexdesBĂĽrgertums
betontedieRechtschaffenheitundRedlichkeit.EsgabeinfestverankertesVerständ-
nis,dassdieäußereErscheinungundderLebenswandelmitmoralischer Integrität
korrelierten.177
WährenddieoffiziellenPresseorgane imVormärzeinBildderRuheundZufrie-
denheitvermittelten,herrschten(inWirklichkeit)UnterdrĂĽckung,Unruheund
Unzufriedenheit.Zeitgenossenprangerten jedochnichtnurdenuntätigenStaat
an, sondernwiesenauchaufdie sich formierendebĂĽrgerlicheGesellschafthin.
Letztereäußertesichbesonders inderbürgerlichenKultur.DieForschungführt
dies auf zweiEntwicklungenzurĂĽck: zumeinenaufdie zunehmendeTrennung
vonArbeitenundWohnenundzumanderenaufdieBetonungderFamilieund
gesellschaftlichenVerbindungen. Ehen, die vorzugsweise imvertrauten, nahen
beruflichenUmfeld eingegangenwurden, bildeten auĂźerdemeineAbgrenzung
zuden sozio-ökonomischSchwächeren, die imGegensatz zudenBürgernnur
mit amtlichemEhekonsensheiratendurften.DiegeringerenMöglichkeitenzur
HausstandsgründungunddiewiedereingeführteAbhängigkeitzwischenArbeit
undWohnenfürAngehörigederUnterschichtbeeinflusstendasSelbstverständnis
desBürgertumsimSinnedesaltenständischenBürgerrechtsbegriffs,der„Bürger“
mit„selbstständig“und„Haushaltungsvorstand“gleichsetzte.178
Nebender„zweitenGesellschaft“,die sichweitgehendübereinegemeinsame
Kultur verband, gab esdennochauchWienermit bĂĽrgerlichemSelbstbewusst-
sein,die trotzvorhandenerMitteldiekulturellenGepflogenheitendesBĂĽrgertums
(Hofoper,Burgtheater,Bibliothek)nichtbeachteten.DerWienerLiberalismus ist
folglichnichtnuraufdiegemeinsamebĂĽrgerlicheKulturzurĂĽckzufĂĽhren, sondern
auchaufeinegemeinsameaufgeklärteGeisteshaltung.179
ImletztenJahrzehntdes19.Â
JahrhundertswurdendiebĂĽrgerlichenWerte,die
einstĂĽberBerufs-undStatusgrenzenhinausgalten,unverbindlicher(aufgefasst).
DieHerabsetzungdesSteuerzensusunddiedamiteinhergehendeWahlberechti-
gungauchfürdaswenigervermögendeBürgertumstabilisiertendessenExistenz
nachderWirtschaftskrise1873undderIndustrialisierung.DerWahlsiegderChrist-
lichsozialenParteiüberdieLiberalenbeiderWienerGemeinderatswahl1895 lässt
177 Stekl,2004a,S.148–156.
178 Bruckmüller,1992,S.46–50.
179 Ebenda,S.58–59.
https://doi.org/10.7767/9783205213741 | CC BY-NC 4.0
© 2021 by Böhlau Verlag Ges.m.b.H. & Co. KG, Wien, Zeltgasse 1, A-1080 Wien
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Buch Habsburg als Touristenmagnet - Monarchie und Fremdenverkehr in den Ostalpen 1820–1910"
Habsburg als Touristenmagnet
Monarchie und Fremdenverkehr in den Ostalpen 1820–1910
- Titel
- Habsburg als Touristenmagnet
- Untertitel
- Monarchie und Fremdenverkehr in den Ostalpen 1820–1910
- Autor
- Ursula Butz
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- ISBN
- 978–3–205–21374–1
- Abmessungen
- 16.0 x 23.5 cm
- Seiten
- 204
- Schlagwörter
- Alpen - Alpenvorland - Voralpen, Alpen / Geschichte, Politik, Gesellschaft, Neunzehntes Jahrhundert, Bad Ischl, Meran, Reichenau an der Rax
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- 1. EinfĂĽhrung 9
- 2. Adelsgesellschaft imWandel 21
- 3. Habsburger in Ischl,Meran und Reichenau 55
- 4. Aufschwung der Kurorte: Infrastruktur und mondänes Leben 85
- 4.1 Wachstum und Konjunkturen 88
- 4.2 Verkehrsrevolution 97
- 4.3 Gastgewerbe 102
- 4.4 Kureinrichtungen und technische Innovation 107
- 4.5 Unterhaltungsangebot 112
- 4.6 Gesellschaftliche Stellung der Gäste 116
- 4.7 Umgangsformen, Etikette 122
- 4.8 Politik und StaatsfĂĽhrung im Kurort 128
- 4.9 Fremdenverkehr und Einheimische 132
- 4.10 Fazit: HabsburgalsBeschleunigungsfaktor 136
- 5. Ă–ffentliche Wahrnehmung und Resonanz 139
- 6. Ergebnisse: Monarchie und Tourismus 175
- 7. Quellenverzeichnis und Bibliografie 179
- 8. Anhang 197