Seite - 30 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
Bild der Seite - 30 -
Text der Seite - 30 -
30
Freudig begrüßten die Wiener den Abschluß der pragmatischen Sanction, welche die
Einheit und Untheilbnrkeit der Monarchie sicherte uud die Erbfolgeordnung regelte.
Unerhörter Jubel herrschte an dem Tage, an welchem Maria Theresia dnrch die Geburt
eines Thronerben die Völker Österreichs uon dcr Besorgniß über die Zukunft des Reiches
befreite. Sie rüsteten sich zur Vertheidigung der Stadt gegen die Baiern, feierten dnrch
Feste und Dankgebete, in Lied und Wort die Siege Dauns und Laudons über Friedrich
den Großen. Der Liebe zur Kaiserin, der Bewunderung der von ihr ausgehenden
Reorganisation des Staatsweseus, ihrer Einrichtungen zur Förderung des geistigen Lebens,
ihres warmen Herzens zur Linderung der Noth gaben sie bei jedem Aulasse begeisterten
Ausdruck. Wahrhaft rühreud war das Verhältniß der Bürger zur Kaiserin in allen das
Glück und das Wohl ihrer Familie berührenden Angelegenheiten. Wie bestürzt waren sie,
als Maria Theresia an den Blattern todtkrank daruiederlag! Wie herzlich war ihre Freude,
als ihuen die Kaiser!» während einer Vorstellung im Bnrgtheater von ihrer Loge ans
die Gebnrt eines Enkels mit den Worten: „Der Poldl hat nu' Buam nnd grad' am
Bindtag, an mein' Hochzeitstag!" persönlich verkündigte. Enthusiastische Hingebnng
brachten die Wiener Josef II., dem Wohlthäter der Menschheit, dem Schöpfer der großen
Reformen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens entgegen. Sie würdigten seine edle
Denkweife, fein selbstloses Streben, seine warme Theilnahme au dem Gedeihen nnd Anf-
blühen der Stadt, seine bürgerfrcundliche Gesinnung. Sie wußten, daß seinein unmittel-
baren Einflüsse die Verschönerung der Stadt, die unbeschränkte Eröffnung des Praters
und des Angartens für alle Classen der Bevölkerung, die Hebung des deutschen Theaters
zu danken war. Sie erkannten die Ziele der uon ihm angestrebten Befreinng der Geister von
dem Drncke der Censur, der Herstellung der religiösen Freiheit, der Aufhebung der Klöster,
seiner ehrerbietigen, aber festen Haltnng gegenüber dem Papste Pins VI.. der von ihm
eingeführten Reformen der Armen- und Krankenanstalten. Wie rührend spricht sich die
Verehrung für Josef II. in dem Schilde eines Hanfes im tiefen Graben „zum heiligen
Josef", defseu Züge mit jenen des großen Kaisers übereinstimmen, ans! .
Begeistert für die Vertheidigung des Reiches, füllteu Kaufleute, Handwerker,
Studenten und Künstler im Jahre 1797 freiwillig die Reihen des Aufgebotes znm Kriege
gegen Frankreich. Freudig stellten die Bürger dem Kaiser zur Herbeischaffnng der Geld-
mittel ihren Schmuck nud ihre Gold- nnd Silbergeräthe zur Verfügung.
Als die Franzofen im Jahre 1805 Wien besetzten, herrschte hier infolge der
zerrütteten Finanzverhältnisse. des Stillstandes der Geschäfte uud der Theuerung der
Lebensmittel große Noth. Mit begründetem Mißtrauen sahen alle Kreise dem Kriegs-
ausbrüche entgegen. Demuugeachtet ertrugen die Bürger ruhig uud ergebungsvoll die Leiden
der französischen Fremdherrschaft, das Übermaß an Einquartierung, die Kriegscontribution,
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277