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die zweimonatliche militärische Dienstleistung zur Aufrech thaltnug der Ruhe und Ordnung,
die Entwcrthung des Geldes und die Verarmung zahlreicher Familien. Napoleon selbst
versagte ihnen nicht das Lob ihrer guteu Haltung, und Kaiser Franz I.. schmerzlich berührt
von den Leiden der Bewohner der Hauptstadt, rief denselben die Worte zu: „Ja, gutes Volk,
du hast Drangsale ausgestanden, die deinen durch Fleiß und Thätigkeit erworbenen Wohl-
stand in seiner Grundfeste erschüttert haben. Ich täusche mich über diese Thatsache uicht."
In demselben Geiste handelteWien vierIahre später(1809). Erfüllt von Begeisterung
für die Behauptung der Selbständigkeit der Monarchie zeigte sich Wien neuerdings zu
den größten Opfern bereit. Tausende von Bürgern griffen zur Unterstützung der militärischen
Besatzung bei der Vertheidigung der Stadt zu den Waffen, Wiewohl die Franzosen die
Vorstädte schon besetzt hatten, blieb doch die Anffordenmg des Marschalls Lannes zur
Übergabe der Stadt fruchtlos. Als am 11. Mai Abends das Bombardement begann,
versah das Bürgermilitär muthig und kaltblütig seinen Dienst. Erst nachdem infolge des
Vordringens der Franzosen vom Prater ans die Vertheidigung der Stadt aussichtslos
geworden war, capitulirte Wien, Mit den härtesten Worten hielt Napoleon der vor ihm
erschienenen Deputation den Widerstand der Stadt vor. Durch voltsleere Straßen, an
verschlossenen Hänsern vorüber hielten die Franzosen ihren Einzug; entschieden feindlich
blieb die Haltung der Bevölkerung auch während der ganzen Daner der Anwesenheit
Napoleons. Wiederholt kostete es die Behörden die größten Anstrengungen, Zusammen-
rottungen und franzosenfeindliche Bewegungen des Volkes hintanzuhalten. Nach dem
ruhmvollen Tage der Schlacht bei Asvcrn gaben die Wiener in Anwesenheit der Franzosen
ihrem Jubel über den glänzenden Sieg des Erzherzogs Karl offenen Ausdruck. Seither
mehrten sich täglich die Reibungen mit der Besatzung, und Bürger, wie der Tischler Teil,
der Sattler Eschenbach und dessen Gesellen, büßten ihre feindselige Haltung mit dem Tode.
Schwerer als im Jahre 1805 lieh deshalb auch Napoleon die Wiener seinen Unmuth
fühlen. Nach bereits geschlossenem Waffenstillstände verhängte er über sie die härtesten
Contnbutionen au Geld und Lebcnsmitteln, er nahm ihnen die Geschütze weg, mit denen
sie ihre Stadt vertheidigt hatten, und ließ die Festungswerke sprengen. Und ungeachtet des
unglücklichen Ausgangcs des Krieges bereiteten sie ihrem Kaiser bei seiner Rückkehr dcu
herzlichsten Empfang. Diese Liebe bezeigten sie ihm, als er »ach der Entthronung
Napoleons in Wien seinen Einzug hielt, und die gleiche Liebe blieb ihm bewahrt bis zu
feinem Tode, in der unerschütterlichen Überzeugung, daß er nach den härtesten Schicksals-
schlägen Österreichs Macht nnd Ansehen wieder hergestellt und damit der Hauptstadt eine
sichere Gewähr ihres Fortblüheus verschafft habe.
Wie groß waren uicht die seit der zweiten Türkenbelagerung eingetretenen Ver-
änderungen! Deutlich zeigte schon die bauliche Neugestaltung, daß Wien eine dem Ansehen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277