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den Formen ein Verlangen nach Opulenz nnd Verfeinerung geltend. Die französische
Renaissance, das moderne Pariser Wohnhaus der vornehmen Stände, wie es z. B. in
den beiden Palais Rothschild auf der Wicden von Girette und Destai l leurs trefflich
revräsentirt ist, endlich die deutsche Renaissance und der Barockstil fanden sich ein. Das
mannigfache Wechselspiel dieser Einwirkn»gen hat zu einem bunten Stilgemisch geführt.
Im Gefolge der nordischen Renaissance, welche mit den Constrnctionen des Mittelalters
innig verwachsen blieb, erschienen Mausardendächcr und Erker, Tpitzgiebel nud Knppcl-
thiirine, die letztereu in jüngster Zeit mit großer Aufdringlichkeit.
Für die deutsche Renaissance hat vornehmlich Alexander von Wiclemans, der
Erbauer des Iustizpnlastes, seine Kraft eingesetzt; in verwandten, Sinne wirkt Franz
Neumanu, der Schöpfer niehrcrer opulent ausgestatteter Häuser am Rathhausplatz,
deren Arcadeugänge vor Allem als willkommene Neuerung zu begrüßen find, ferner Ernst
und Wächtler, die schon erwähnten Erbauer des abgebrannten Stadttheaters Fel lner
und Helmer, Roth , Wendeler, Hieser und Andere, Bei der Tecoration der im
Stile der deutscheu Renaissance errichteten Häuser hat die zur Vorherrschaft gelangte
malerische Tendenz auch am Äußeren zur Wiederanwendung figürlicher Malerei nach alter
Weise geführt, wie vornehmlich das Eckhaus am Itockimeiseuplatz von Wielemans sie zeigt.
Nebenher laufen diezuerst von Ferstcl mit großem Glück angewendeteSgraffito-Decoratton,
die Bekleidung mit Majoliken, mit Porzellan und dergleichen. Unter den reicheren Hänsern
der jüngsten Epuche sind besonders die Bauten einiger großer Geldinstitute hervorzuhebeni
die Läuderbank von Wagner, die Verkehrsbank von Schachner, der Ban des Giro- nnd
Cassenvereins uon E. von Forster, dem Architekten des durch Brand zerstörten Ring-
theaters, an dessen Stelle Schmidts Stiftungshaus sich erhebt. Zu den stattlichsten Bauten
iu den Vorstädten zählt der von Fellner uud Helmer errichtete Margarethen Hof.
Eine besondere Beachtung vom künstlerischen wie vom localgeschichtlichen Stand-
punkt verdient die in letzter Zeit erfolgte Wiedereinführung des Barockstils. Nicht nur
die zierlichen Schnörkel, die zeltförmigeu Fensterbedachunaeu. das muschelartig gewundene
Holz- uud Eisenwerk tauche» wieder auf, sondern wir stoßen auch auf einzelne im Sti l
der Sftätrenaissaiice gedachte und nüt großer Feinheit uud Sachkenntniß durchgeführte
Fac.adenbildungen, welche den besten einheimifche» Mustern mit Erfolg nacheifern. Das
hervorragendste Werk dieser Art ist das kürzlich in den Besitz des Markgrafen Pallavicini
übergegangene Zinshaus in der Augustinerstraße uon K. König, dessen streng im
Charakter des Steinbanes gehaltene, schön gegliederte Fac,ade gegen den Albrechtsplatz zu
eine an Fischer von Erluchs berühmtes Kuppelzeltdnch mahnende Bekrönung trägt. — Als
geschickte Vertreter des ansgesprochencn Barockstils mögen schließlich Rnmpelmayer,
Korompay und Adam genannt werden.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277