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noch prickelnde und elektrisirende Melodien beizugeben, die rasch ins Blut seiner empfäng-
lichen Landsleute übergingen, welche zündende und schneidige Weisen, mit unterlegtem
ätzendstem Texte, dem Wesen des Urwieuerthums ^ nämlich jener Gattung von dem
Gepräge der „unteren" Hnnderttausende — uicht mir vollkommen entsprachen, die es
auch in seiner Eigenheit haarscharf indiuidualisirteu und charakterisirten. Das erklärte den
ungeheuren Erfolg dieses höhnisch schmunzelnden Fauns, dem während der „Glanzzeit"
seines Wirkens eine culturelle und gesellschaftliche Bedeutung nicht abgesprochen werden
kann. Leider machte Fürst aber auch „Schule", und feine Scholaren, die den Meister
natürlich sogleich bis ans Stuvende überboten, waren — Damen. Das zarte, weibliche
Geschlecht erstürmte die Rostra und verkündete, ohne zu erröthen, den Beginn der Herrschaft
des — Unbesch reib baren. Das Chaos brach los.
Es fällt uns nicht ein, jener Zuchtlosen Zeit mehr Worte zu widmen, als zur
Erwähnung ihrer Existenz nöthig. Genug, daß diefe bedauerliche Wirthschaft auch durch
ein Decennium währte, daß diese singenden Phrynen und Hetären im Punkte der Sitten-
verderbniß und der Geschmacks' und Gemüthsvcrwilderung viel Unheil anstifteten, daß
aber auch dieses Interregnum der moralischen Zügellosigkeit sich überlebte, nachdem eine
Steigerung, also Erhöhung des „Reizes" nicht mehr möglich war uud die Hanftt-
vcrtreterinuen der Strophen-Zote theils starben, theils verdarben. Vorbei! Vorbei! . .
Nachdem das Unwetter sich verzogen hatte, das Publienm auch zur Einsicht gekommen
war und uor einer Fortsetzung dieses wüsten, aber dennoch monotonen Trubels Abscheu
empfand, dachten die vernünftigen und austäudigen Mitglieder der buntscheckigen Volks-
fängergilde selbst an eine gründliche Reinigung und Hebung ihres verrufenen Standes.
Sie emancipirten sich vorerst von der immer bedenklichen Mitwirkung weiblicher Kräfte,
theilten stch in neu organisirte Gruppen uud „Gesellschaften", erwarben sich erweiterte
Concessionen für „Singsuielhallen" und führten, Alles i» Allem genommen, wenigstens
eine nicht unehrbare Existenz. Aber fast gleichzeitig mit dieser höchst dringlich gewordenen
Umgestaltung und jüngsten Läuterung des Volkssängerthums kam ein neues Product — man
könnte es beinahe Übel uennen — in Aufschwung, das bei der Leidenschaftlichkeit und
Schaulust des Wieners im Nu zur dominirenden Herrschaft gelangte und eine Ausdehnung
und Vervielfältigung erreichte, die den ruhigen und vorforglichen Beobachter ebenfalls
bange machen konnte. Wir meinen das „Tingel-Tangelwesen" — oder vielmehr Unwesen.
Die Schöpfung ist eine norddeutsche, wo ja auch die mißlichen „Rauchtheatcr"
ihre Geburtsstätte haben, eine verwandte Anstalt für Augen- und Ohrenschmaus gröbster
Gattung, die den Sinn für bcsfere und reinere Genüsse bei ihren Anhängern total zu
ersticken wußte. Das „Tingel-Tangel" hat nun in dieser Beziehung einen noch aus-
gesprocheneren Charakter, da seine Hauptaufgabe dariu besteht, sein Publicnm durch das
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277