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letzteren, ging im Jahre 1812 die „Gesellschaft der österreichischen Musikfreunde" hervor,
welche durch Decennien mit uneigennütziger Kunstliebe, aber spärlichen Mitteln die ernste
Musik in Wien allein gepflegt hat.
Nach Beethoven und Schubert begann die Zeit der eigentlichen Claoiervirtuosität,
zuerst noch in der maßvollen Gestalt eines Hummel, Moscheles und Czerny. Hand in
Hand mit ihr gingeu die Fortschritte in der Kunst des Clavierbaues, in welchem Wien
durch die Firmen Stein, Konrad Graf und Streicher bald europäischen Ruf erlangte.
Als Hüter des classischen Violinspieles wirkten die Wiener Meister Schuppanzhig,
Mayseder und Böhm. Mit Anfang der Vierziger-Jahre erreicht die Claoiervirtuosität
ihre höchste Vollkommenheit und feiert ihre größten Triun^ihe in Wien: durch den
Deutsch-Ungarn Franz Liszt und den Wiener Sigmund Thalberg. Auf die Periode
musikalischen Sinncntaumels, die der einseitige Cultus des Virtuosenthums, der Tanzmnsit
und der italienischen Opernsänger charakterisirte, folgte unausweichlich Übersättigung und
damit die Sehnsucht nach gehaltvoller, ernster, großer Musik, Das Jahr 1848 bildete auch
hier die Greuzscheide zwischen dem alten uud dem neuen Wien.
Der Nuf nach Reform und Fortschritt erscholl auch auf musikalischem Felde und
spornte zu ueuer organisatorischer Thätigkeit. An die Stelle der nicht mehr ausreichenden
patriarchalischen Zustände der Privattapellen und Dilettantenorchester trat nunmehr die
Association der Künstler. Mit der Gründung der philharmonischen Concerte und der
totalen Reform der „Gesellschaft der Musikfreunde" war den classischen Orchesterwcrken
eine sichere Pflegestätte bereitet. Es entstand der „Tingverein" und die „Singakademie"
und damit zum ersten Male in Wien eine regelmäßige Pflege großer, insbesondere
geistlicher Chormusik.
Welcher Umschwung auch äußerlich in den Wiener Mufitverhältnissen sich vollzogen
hat, das lehrt uns ein Blick auf zwei der Musik gewidmete Paläste aus jüngster Zeit: das
neue Opernhaus (1869) uud das neue Musikuereinsgebaude (1873). Zu dem
eiustigen, aus einem engen Güßchen sich herauswickelnden „Kärntnerthor-Theater" ver-
hält sich das neue Opernhaus etwa wie der jetzige große Mustkuereinssaal zu dem
unbequemen, düsteren Coucertsaal „uutcr den Tuchlaubeu". Und doch ward schon letzterer
bei seiner Eröffnung im Jahre 1831 als ein unermeßlicher Gewinn gefeiert und von
Grillparzer besungen!
Gegenüber jenem „goldenen Zeitalter" der Wiener Musik dürfen wir uns wenigstens
einer anderen Seite musikalischen Ruhmes erfreuen: es ist dies der warme, Verständniß«olle
Eifer und die reicheren Mittel, womit die Gegenwart die große Erbschaft jeuer Epoche
autritt, erforscht, erläutert uud nach allen Seiten hin iu vollendeter Form ausspendet.
Kein Mozart, kein Beethoven, kein Schubert wandelt mehr leibhaft durch die Straßen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277