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Penn von Gradenstein hielten die weniger geistreiche, aber gemüthlichere Art der ein-
heimischen Geselligkeit anstecht. Die Romantiker endlich belheiligten sich, als Österreich
1809 zu den Waffen griff, in hervorragender Weife an den Erfolgen der österreichischen
Armee: während die Gcntz mid Schlegel die Proklamationen gegen Napoleon schrieben,
standen die Varnhagen, Seckeudorf und andere gegen ihn in Reihe nnd Glied. Lollin aber
stimmte jetzt seine kräftigen Wehrmannslieder an und gab damit das Signal für die
patriotische Dichtung der Befreiungskriege. Castelli, A. Pasfy nnd andere folgten feinem
Beispiele, Friedrich Schlegel fand einen begeisternden Ton und Heinrich von Kleist, dessen
Dichtung der Rache zum Theile anf österreichischem Boden entstanden ist, schickte seine
„Hermannsschlacht" an Collin.
Für die Theorie der Romantiker war Wien, wo Kant nur in einem auserlesenen
Kreise bekannt war, kein günstiger Boden, trotzdem sie zum Theile mit Unterstützung der
Regierung hervorragende und einflußreiche Zeitschriften grüudeten. Die Wiener Jahr-
bücher für Literatur waren in der ersten Zeit ihres Bestehens das vornehmste Iourual
iu deutfcher Sprache; der „Prometheus" von Scckendorf und Stoll nnd Friedrich Schlegels
„Deutfches Mufeum" waren die ersten österreichischen Zeitschriften, an welchen sich auch das
Ausland rückhallslos betheiligte, und selbst Goethe hat dem erstere» seine Mitwirkung nicht
uerfagt. Aber der Romantik erstand
West, ein gefährlicher Gegner, dcffen besouuene Kritik durchans au den Gruudsätzen Lessings
festhielt und die Forderung der Bühneumöglichkeit und Bnhuentauglichkcit nie aus den
Augen verlor. Schwache dramatische Talente, wie Matthäus von Collin, welcher Historien
im Shakespearc'fcheu Stil dichtete, oder wie I. Passy, welcher iu seiucn Tragödien mit
Chören dem Schlegel'schen „Ion" nacheiferte, konnten dagegen nichts vermögen. Aber
felbst die Gegner der Romantik wußten aus den von ihr angebahnten Richtungen Vortheil
zu ziehen. Die Thätigkeit der Überseher wurde auch iu Wieu mächtig angeregt und
gefördert uud wandle sich mit Vorliebe den von den Schlegel erschlossenen romanischen
und orientalischen Dichtern zn. Mit der spanischen Literatur bestand hier noch feit den
Zeiten der spanischen Habsburger eine Art geistigen Rapportes uud das Studium der-
selben faud iu F. Wolfs eineu hervorragenden Vertreter; der Vermittler mit dem Orient
wurde Hammcr-Purgstall, dessen Übersetzung von Hafis Diva» bei Goethe eine bedeutende
Nachwirtnng hinterlassen hat. Die Übersetzungen der spanischen Dichter kaincu haupt-
sächlich der Bühue zugute uud schlössen sich deßhalb auch enger au die Bedürfnisse
derfelben au: die freie Aneignung in Wests Bearbeitungen ist bis heute unübertroffen und
bis jetzt die einzige Form, in welcher sich fpauische Originale auf der deutscheu Bühne
erhallen haben. Auch in Österreich hat ferner die Romantik neue Stoffgebiete crfchlofseu,
welche von rührigen Händen sofort ausgebeutet wurden. Zur tiefsten Rührung seiner dnrch
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277