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ein pfiffiges Thier, Mögen die Anderen vor Liebe sterben, cr führt die Vrant heim;
mögen hohe Absichten vor feinem Auge scheitern, er klimpert mit dem Trinkgelde in der
Tasche; mögen Bürger ihre Freiheit, Fürsten ihre Krone verlieren, er schlägt fich dabei
einen Braten herans. Noch ein Schritt weiter, und er wäre ein Scheusal, aber die Grenze
ist eingehalten: Hanswurst ist nicht schlecht, er ist blos nicht gut. Dadurch gewiuut er eine
tomifche Handhabe. Nun ist es ein Hauptspaß, zu sehen, wie er in den schaudervollstcn
Complicationen der Haupt- und Staatsactionen seinen grünen Hut fest auf dem Kopfe
behält, wie sein grober Mutterwitz mit den Dingen spielt, wie er in der Welt nur sich
selbst und seinen Vortheil sieht nud ergattert, wie er bei allen Mahlzeiten mitißt, ohne die
Zeche zu bezahlen. Höchstens daß er eine Tracht Prügel bekommt, die er aber noch besser
austheilt, als empfängt. Hanswurst ist in diesen Nctionen überall gegenwärtig. Iu allen
Weltgegenden, in allen Jahrhunderten pflanzt er feinen grünen Hut auf, spricht er seine
Salzburger Mundart. „Was", ruft er am Hofe eines Lombardentönigs ans, „ich sollte nicht
wisfen, was Liebe sei? Das wäre mir ja ein Spott in ganz Salzburgerland." Hanswurst
ist der Bauernverstaud in der Weltgeschichte. Sein unverhofftes, unverfrorenes Drein-
reden in allen möglichen Händeln der Welt, diese stete Gegenwart des derben bajuva-
rischen Laud- und Landsmannes muß den Wienern unendlichen Spaß bereitet haben.
Die Schauspiele Stranihkys oder, vorsichtiger ausgedrückt, jene Schauspiele,
die man ihm znfchrcibt, bringen eine folche Mülle des Geschehens uud sind in ihren
Handlungen meistens so verwickelt, daß sie, in Erzählung aufgelöst, kaum zu fassen sind.
Oft winden sich zwei Liebesintriguen neben- und durcheinander, die dann noch von einem
Liebeshandel Hanswursts gekreuzt werden. Schon die Titel der Stücke corrigiren ihren
nur scheinbaren Ernst. Wenn es heißt: „Die Enthauptung des weltberühmten Wohl-
redners Liceronis", so folgt gleich die Erweiterung: „Mit Hanswurst dem seltsamen Jäger,
lustigen Galioten, verwirrten Briefträger, lächerlichen Schwimmer, übelbelohnten Boten."
Neben der beiläufigen Ermordung Ciceros strotzt die Handlung von lanter Liebe. Selbst die
Grausamkeit wurde glimpflich abgethan, denn die weichere Gemüthsart der Wiener vertrug
nicht die Blut- und Eisenpolitik der norddeutsche» Haupt- und Staatsactionen, Ein Stück,
das neben den von Stranitztn gegebenen Haupt- und Staatsactiouen etwas räthselhaft
dasteht, ist „Die glorreiche Marter Johannes von Nepomuk unter Wenzeslav, dem faulen
König der Böhmen". Es ist für Wien geschrieben oder wenigstens eingerichtet, wie aus
dem Vorberichte ersichtlich, der sich au das „ruhmwürdige Wien" wcudet. Die Gesinnung,
in der es verfaßt ist, deutet auf kirchliche Kreife, Geist uud Ausführung anf die englifchen
Comödien hin. Es ist ein vorzügliches Theaterstück. Es besitzt Allesi geschlossene Motivi-
rung, Nerv der Handlung, wirksame Bildlichkeit, bewegten Dialog: nur Eines fehlt:
Geschmack und Sinn für das Schickliche. In dem entscheidenden Gespräche zwischen dem
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277