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dort rcduerischeu Glanz, hier Fülle der Charakteristik verliehen, so ruhte ihre Kunst doch
auf dem Fundamente, das Schröder ein- für allemal gelegt hatte. Die bedeutenden
Schauspieler, die wir im Burgtheater noch erlebt haben, sie pflanzten doch alle die
Bewegung fort, die von Hamburg und Schröder ausgegangen. Anschuß war ein großer
Sprecher, dem in ruhiger Auseinandersetzung des Sinnes, an Pomp und Pathos der
Rede kein Anderer gleichkam; aber im bürgerlichen Trauerspiele bis hinauf zum König
Lear ging er mit aller Schärfe iu die realen Bedingungen des tragischen Charakters ein
und war reich an bezeichneudeu Details, ohne einen Augenblick den Gesanuutcharatter der
Rolle aus den Augeu zu verlieren. Sem Musicus Miller, sein Erbförster, sein König
Lear waren die tragischen Lieblinge des Burgtheaters. La Röche, steif und anfgebanscht
im Tranerspiele, ein unverkennbarer Weimaraner, war in genreartigen Darstellungen, die
ebenso tief ins Gemüthliche, als ins Komische gehen tonuleu, von sprudelnder Originalität
und Erfindungskraft: eine vornehme Künstlernatur hielt Alles harmonisch znfammen. Im
Charakteristischen war seine äußerste Grenze der Mephisto. Ludwig Löwe, vielleicht der
glänzendste jugendliche Held, den das deutsche Theater je gesehen, fand sich später in
bürgerliche und tragische Väterrollen mit der ganzen Elasticität und brausenden Gewalt
seiner Natur hinein. Er hat noch in spätem Alter neue Rollen geschaffen. Fichtner über-
nahm von dem älteren Korn man möchte sagen das Fach männlicher Anmuth und
Liebenswürdigkeit. Es lag eiue Grazie der Natur iu Fichtner, die ihr mildes Licht bis iu
die Tragödie hineintrug, aber im Conuersationsstücke, im Lustspiele ihren erquicklichsten
Glanz verbreitete. Seine künstlerische Schwester in der Grazie war Luise Neumann, die
Tochter der Frau Amalie Haizinger; in ihrem gedämpften, leisen Spiele prägte sich eine
vornehme Gesinnung aus. Und die Mntter selbst, Amalie Haizinger, war bis in ihr
hohes Alter die Laune des Burgtheaters, sein gesundes Gelächter. Mit der Autorität,
welche Geist und Charakter verleihen, bewegte sich Julie Rettich unter diesen Künstlern.
Iofef Wagner war der Repräsentant der Romantik uud des poetischen Schwnnges. Alle
die hervorragenden Schauspieler, die wir genannt, werden mehr odcr minder durch die
Schlagworte Natur uud Naturell bezeichnet. Die künstlicheren Manieren der Mannheimer
Schule, die classischen Attitüden der Schule uou Weiniar haben in Wien nie recht Fuß
fassen können; Schröder und uicht zu vergessen die Franzosen, die im Burgtheater ihren
Parfüm zurückgelasfen, haben die Kunst diefer Bühne wesentlich beeinflußt.
Die bedeutenden Directoren, die das Bnrgtheater gehabt, waren die Hüter dieser
Kunst und die Vermittler zwischen der Bühne und der Literatur. Sie waren eifersüchtig
anf den deutschen Charakter des Institutes und wahrten diesen Charakter, in welchem ja
ein universaler Zug lebt, auch dadurch, daß sie gute und brauchbare Werke aus den
fremden Literaturen, fowohl der alten als der neuen, in den Bereich des Burgtheaters
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277