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und Unterricht dieser Zustand gebessert uud die Industrie künstlerisch auf den richtigen
Weg gebracht werden könne. Dieser Beweis führte zur Gründung des österreichischen
Museums für Kunst und Industrie zu Wien im Jahre 1864, des ersten Museums dieser
Art auf dem Coutiuent, ein Vorgang, dem im nächsten Deceumum so ziemlich alle übrigen
Länder Europas folgten, uud zwar mit dem Resultat, daß nunmehr auf allen Gebieten
der Industrie ein vollständiger Umschwung des Geschmacks zu verzeichnen ist.
Man kann in Wahrheit sagen, wenn man von dem ersten Anstoß absteht, der dem
South-Kensiugton-Museum in London gebührt: Wieu ging auf diesem Wege voran; es
hatte, mindestens durch ein Decennium, allein die Führung auf dem Wege dieser tunst-
industriellen Reformen. Begünstigt allerdings wurde bei uns dieser Umschwung durch die
außerordentliche Banthätigkeit der letzten zwanzig Jahre, welche dem neu erwachten
Dränge zu künstlerischer Arbeit reiche Gelegenheit der Bethätigung darbot, aber die
Architektur wäre nicht im Stande gewesen, den rechten Weg zu zeigen, wenn er nicht,
gleicherweise wie in England, durch Lehre uud Vorbild in der Industrie selber zur Klarheit
gekommen wäre. Viele Zweige der Kunstindustrie, die Porzellane, Faiencen, Gewebe,
Arbeiten in Gold und Silber, fino und bleiben ja unberührt von der Architektur.
Wie Wien äußerlich mit der Gründung des österreichischen Museums und seiner
Kunstschule voranging, so auch künstlerisch in den leiteudeu Ideen. Und hier zeigte es sich
bald, daß die Kuust iu der Industrie — uud zwar zugleich mit der Architektur von Neu-
Wien — die Richtung auf die Renaissance einschlug, vorwiegend aber nach italienischen,
nicht oder noch nicht nach deutschen Vorbildern, die erst zehn Jahre später in Frage
traten. Es war aber nicht diese Richtung allein, die sich geltend machte; sie hätte ja
für viele Arbeiten, z. B. in Porzellan, nicht ausgereicht. Neben ihr, oder vielmehr als
Grundlage von Allem, trat ein anderes sehr einfaches uud doch allumfassendes Princip auf,
das Princip nämlich, die Kuustform dem Material und der Bestimmung des Gegenstandes
entsprechend zu gestalten und anch die decorative Technik iu ihrer verschiedenen Art
jedesmal auf die Eigenschaften des Materials zn grüudeu. Dieses für einen rationellen
Geschmack allein richtige Princip fand sich nun — für unsere gegenwärtigen Cultur-
bedürfnisse — am besten und am meisten in den Formen der Renaissance verwirklicht,
und somit befanden sich Theorie nnd Praxis in Übereinstimmung. Aber das war nicht
allein der Fall, Viele schöne uud edle Gcfähformen, die mit der Renaissance durchaus uicht
in Widerspruch standen, bot die antike Gefäßkunst. Ein anderes, überaus großes Gebiet
der Kuustiudustrie, die Decoration der gewebten Stoffe, also die Decoratiou der Fläche,
war uud wird im Orient, in Persien, Syrien, in Indien, so mustergiltig, so durchaus dem
ratiouellsten Princip entsprechend bearbeitet, daß eine auf diesem Princip aufgebaute
Reform des Geschmacks oder der Kunstiudustrie die orientalischen Muster nicht nmgehen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277