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sich hinbcwegt, nimmt auf seinem Wege unter der dichtbevölkerten Stadt alle Ver-
unreinigungen anf, die in den Boden eindringen, und so ist es begreiflich, daß mir wenige
Hansbrunneu genießbares Wasser enthalten und für die Versorgung der Stadt in Betracht
kommen konnten, Unter diesen Verhältnissen war für die Bevölkerung von Wien, welche im
Jahre 1835 350,000 Seelen zählte, das Wasser bereits zn einem Luxusartikel geworden,
als Kaiser Ferdinand, nm der öffentlichen Calamität abzuhelfen, den hochherzigen Entfchluß
faßte, das ihm anläßlich der Huldigung in Nicderösterreich dargebrachte Krönungsgeschcnt
zur Errichtung eines größeren Wasserwerkes zn widmen. So entstand die Kaiser Ferdinands-
Wasserleitung in der Spittelau, welche auf dem Gedanken beruht, das Donaugrnnd-
wasser zur Wasserversorgung zu benutzen. Das Wasser derselben hält in seiner Beschaffen-
heit die Mitte zwischen Fluß- und Quellwasser, ein schwer wiegender Übelstand besteht aber
in seiner hohen Temperatur znr warmen Jahreszeit und in der nicht genügenden Quantität,
welche ungeachtet wiederholter Vergrößerung der Anlagen hinter dem steigenden Bedarfc
stets zurückgeblieben ist.
Die Surrogate und verschiedenen Provisorien, zu welchen Zuflucht genommen
wurde, reichten nicht aus, da inzwischen die Einwohnerzahl auf 650.000 Seelen gestiegen
war; die Noth an Trink- nnd Nutzwafser drang so sehr in das allgemeine Bewußtsein,
daß die ganze Bevölkerung sich dieser Angelegenheit bemächtigte und von Berufenen und
Unberufenen Projecte zur Abhilfe vorgebracht wnrdeu. Dem 1861 neu constitmrteu
Gemeinderathe war es jedoch vorbehalten, diese wichtige Lebensfrage Wiens in Angriff
zu nehmen und ein Werk zu schaffen, welches sich den Denkmälern jener culturgeschicht-
lichen Epoche würdig anreiht.
Noch im selben Jahre erließ der Gemeinderath eine öffentliche Concnrsansschreibung
für die Wasserversorgung Wiens; in den zahlreich eingelaufenen Offerten waren alle
denkbaren Systeme der Wafferbefchaffung in Vorschlag gebracht. Nuter diesen hatte die
Idee einer Wasserleitung aus dem Gebiete des Steinfeldes bei Wiener-Neustadt, jenes
großartige» Schotterbeckens, welches von dem Qnellwasser der Kalkalpen gesättigt ist und
von welchem die „Ticfquellen" den natürlichen Abstuß bilden, mit Recht den meisten
Anklang gefunden; um jedoch mit voller Beruhigung das Richtige zu wählen, entschloß
sich der Gemeinderath, eine besondere Commission für das Studium dieser Frage einzusehen.
Diese durchforschte iu weitem Umkreife alle Fluß- uud Quellengebicte, welche für die
Wasserversorgung von Wien herangezogen werden können; sie schuf volle Klarheit über die
Natur, deu Ursprung, die Beschaffenheit und den ursächlichen Zusammenhaun, der sichtbaren
Quellen und der unterirdisch sich bewegenden Grundivässer nnd faßte die Ergebnisse ihrer
Untersuchungen in einem Berichte (Mai 1864) zusammen, welcher ein durchaus getreues
Bild dieser verwickelten Verhältnisse gibt und für alle Zukunft die wissenschaftlichen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277