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Stadt zum Dorfe wird, bis endlich noch weiter draußen sich einzelne Häuser, Villen oder
Gehöfte in die Forste des Wienerwaldes verlieren oder an die rebenbekränzten Vorhügel
des Kahlengebirg.es lehnen.
Innerhalb der Verzehruugssteuer-Grenze und außerhalb derselbe» ist in der unmittel-
baren Nähe dieses Bandes der Gewerbebetrieb am dichtesten angesiedelt, leider bildet aber
gerade diese Linie eine unübersteiglichc, nur an verhältnißmäßig wenigen Pnntten durch-
brochene Scheidewand. Sowohl innerhalb als außerhalb des Linienwalles wechseln
Fabritswesen und Gewerbebetriebe miteinander ab; einzelne Vororte haben mehr das
Gepräge von Industriestädten, andere zeigen mehr das Aussehen von Arbeiterquartieren,
wieder andere von Prouiuzstädten mit lebhaftem Gewerbebetrieb. An den Ausläufer» der
Vororte aber, namentlich in Ottakring und Hernals, findet mau die reine Form der
Hausindustrie mit ihrem Pauperismus und sonstigem Trübsal. Auf der änßeren Seite
des Linienwalles begegnen wir besonders hänsig solchen Gewerbebetrieben, welche durch die
verzehriingssteuerfreie Zufuhr des Rohstoffes einen Vortheil genießen. So liegen die
Wiener Brauereien mit Ausuahme einer einzigen außerhalb der Linie. Aber nicht nur der
industrielle Betrieb an sich ist in diesen Vororten durch den billigeren Brennstoff, durch
die dort uerzehrnngösteiierfreien, daher billigeren Materialien: Schmieröl, Talg, Seife ?c.
erleichtert, auch die Arbeitslöhne stehen etwas niedriger als in den städtischen Bezirken.
Der ganze 3wnä3i<i ul' Ii'l« ist draußen um etwa zehn Proecnt niedriger, weil anch für
Wohnung, Kleidung und Nahrung außerhalb der Linie weniger ausgegeben werden muß
alö innerhalb. Infolge dessen ist die Zone der Vororte ganz besonders geeignet zum
intensive» Gewerbebetrieb. Eiue Ausnahme hiervon macht nur jene Partie, welche dem
Ufer des Donaukanalcs entlang, gegeu das Kahlengebirge zu von jeher dem Städter als
Zufluchtsort währeud der Schwule des Sommers diente. Die Orte Döbling, Hciligenstadt,
Sievering, Grinzing u. f. w. haben einen verhältnißmäßig geringen Gewerbebetrieb.
Trotz der Verzchrnngsstcuer-Greuze der Stadt Wien muß man jedoch die an Wien
anstoßenden Industrialorte, gleichgiltig, ob sie zu dem politischen Verwaltnngsgebiete
Wien gehören oder nicht, einbeziehen, wenn man von dem Wiener Oewerbeleben oder
von Wien als Gewerbe- und Iudustrie-Emporium spricht. Demuach gehören Währiug,
Hernals. Neulerchenfeld, Ottakring, Fünfhaus, Sechshans, Unler- uud Obe»Meidling.
Rudolfsheim, Pcnzing. Gaudcnzdorf, Favoriten, Zwischenbrückcn, Floridsdorf und
Simmering Zur Industriestadt Wien und in diesem Sinne sprechen wir auch hier vom
Wirtschaftsleben unserer Reichshauptstadt.
Wenn man sich über den Rang, den ein gewerbliches Centrum einnimmt, oder über
die Leistungsfähigkeit des gesammten Gewerbestandes einer Stadt ein Urtheil bildeu will,
ohue in alle Einzeluheiten einzugehen, so wird man zunächst die Frage aufwerfen dürfen:
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien, Band 1
- Titel
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Untertitel
- Wien und Niederösterreich, 1. Abteilung: Wien
- Band
- 1
- Herausgeber
- Erzherzog Rudolf
- Verlag
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Ort
- Wien
- Datum
- 1886
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 16.13 x 22.72 cm
- Seiten
- 348
- Schlagwörter
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Kategorien
- Kronprinzenwerk deutsch
Inhaltsverzeichnis
- Landschaftliche Lage Wiens 3
- Zur Geschichte Wiens 5
- Wiens architektonische Entwicklung 51
- Wiener Volksleben 91
- Die Musik in Wien 123
- Die deutsche Literatur in Wien und Niederösterreich 139
- Das Wiener Schauspiel 169
- Malerei und Plastik in Wien 205
- Wiener Kunstindustrie 263
- Voltswirthschaftliches Leben in Wien 277