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ZUR VORBILDFUNKTION DER PRIVATBIBLIOTHEK VON PIETRO LEOPOLDO
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durch die Fürstenspiegel eine eigene Literaturgattung entfaltet hatte,166 eine
Konstante, deren Bedeutung in der Aufklärungspädagogik167 nicht verkannt
wurde: „Si en général l’éducation des hommes est une chose très importante,
combien doit le paroître davantage l’éducation d’un prince, dont les moeurs
donneront leur empreinte à celles de toute une nation, & dont le mérite ou les
défauts feront le bonheur ou le malheur d’une infinité d’hommes?“168
Heterogene Bildungsinhalte sind auch anhand der normativen Quellen
für die Erzherzoge in Florenz ablesbar. Erziehungsprogramme und Studien-
pläne am florentinischen Hof zeigen eine Verquickung der höfisch-adeligen
Erziehung mit dem neuen Herrscherideal als höchstem Diener des Staates
auf. Die Weiterbildung in den unterschiedlichen Wissensgebieten ging ein-
her mit den höfischen Traditionen – das Exerzieren, Tanz- oder Reitstunden
und der Klavierunterricht wurden gepflegt, aber auch Audienzen dienten
der schrittweisen Annäherung an die zukünftige Herrscherrolle.
Der hohe Stellenwert der Erziehung und (Aus-)Bildung des habsburgi-
schen Thronfolgers in Florenz lässt sich bereits daran ablesen, dass Ent-
scheidungen über seinen künftigen Werdegang in einem Kräftemessen
zwischen Maria Theresia, Joseph II. und Pietro Leopoldo bzw. ab 1780 in
einem Bruderzwist endeten, der zwar niemals offen ausgetragen wurde,
aber kontinuierlich aufflammte.169 Pietro Leopoldo war als Großherzog von
Toskana ein unabhängiger Herrscher, doch die Machtverhältnisse zwischen
Wien und Florenz waren klar verteilt und grundlegende Entscheidungen,
wie beispielsweise die spätere Vermählung von Erzherzog Franz mit seiner
ersten Frau Elisabeth Wilhelmina von Württemberg, welche Joseph für ihre
weitere Erziehung bereits 1782 nach Wien kommen ließ, „was quite beyond
Leopold’s power and resources as grand duke.“170
Für die Prinzenerziehung171 hatte sich an vielen deutschen Fürstenhöfen
der Frühen Neuzeit ein weitgehend ähnliches, mehrstufiges Erziehungsmo-
166 Als berühmteste Vertreter sind zu nennen: Machiavellis Il principe (1513), Erasmus von
Rotterdams Institutio principis Christiani (1515), welche Kaiser Karl V. gewidmet war.
Erasmus schlug jedoch das Angebot aus, die Erziehung der Enkel Maximilians I. zu über-
nehmen. Weiters zu erwähnen ist der bereits genannte Télémaque von Fénelon, aber auch
Muratoris Trattato della pubblica felicità oggeto dei buoni principi. Vgl. Weber, Fürsten-
spiegel. Auch Baldassare Castigliones Il libro del cortegiano übte Einfluss auf die höfische
Erziehung und wirkte bis weit in das 18. Jahrhundert nach. Vgl. Vocelka/Heller, Habs-
burg, 64; Gruenter, Hofmeister-Literatur, 365.
167 Klueting, Fürst, 150–154.
168 André Lefèvre, Gouverneur. In: Encyclopédie VII, 797.
169 Wandruszka, Leopold II., Bd. 1, 304f.
170 Beales, Joseph II., Bd. 2, 358.
171 Auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Prinzenerziehung kann im Folgenden
nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Kollbach, Aufwachsen, 140–222.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630