Seite - 71 - in Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835 - Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
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STATIONEN IM LEBEN EINES KAISERS ALS BIBLIOTHEKAR 71
weiteren Erziehung fest. Anhand der Erziehungsprogramme Josephs II. ist
eine Auseinandersetzung mit den pädagogischen Theorien oder der prakti-
schen Vermittlung von Wissensinhalten nicht zu erkennen. Der Kaiser traf
zwar auch für die Erziehung in Wien die Auswahl des Lehrpersonals, die
Aufstellung von Richtlinien für den weiteren Wissenserwerb und die Zusam-
menstellung des dafür nötigen Bücherkanons wurden ab diesem Zeitpunkt
gänzlich an das Lehrpersonal übertragen. Als Bedingung legte der Kaiser
jedoch fest, dass die Erziehung und der Unterricht des Erzherzogs rasche
Fortschritte zeigen sollten. Ein Ausbleiben dieser Fortschritte zog erneute
Kritik nach sich.253 Hier handelte es sich in erster Linie um eine Kritik an
der Bildung von Charakter und Physis. Dennoch hatte man Erzherzog Franz
in den Augen Josephs mit „Kenntnissen haufenweise angestopft, [er war
aber] zu keiner nutzbaren Anwendung derselben angeleitet worden.“254 Das
gespannte Verhältnis zwischen Kaiser und Thronfolger soll nur insoweit von
Interesse sein, um den konträren Zugang von Pietro Leopoldo und Joseph II.
in ihrer Vorbildrolle für den Wissenserwerb und die divergierenden Vorga-
ben in den jeweiligen Erziehungsprogrammen herauszuarbeiten, die letz-
ten Endes auch Einfluss auf die Bucherwerbungsstrategien des Erzherzogs
hatten. Im Übrigen enthalten die Erziehungsprogramme Josephs II. bemer-
kenswerte Angaben über die finanzielle Ausstattung des Erzherzogs und die
personelle Zusammensetzung seines Hofstaats, durch die auch die Rahmen-
bedingungen für die spätere Privatbibliothek geschaffen wurden.
Die zentrale Figur der Erziehung verkörperte weiterhin Ajo Colloredo.
Ihm wurden die beiden neu eingesetzten Generaladjutanten Camille Joseph
Graf Lamberti und Franz Xaver Rollin zur Seite gestellt,255 welche die mili-
tärische Ausbildung überwachen sollten. An diese drei Personen waren die
„Beobachtungs-Punkte[n]“ Josephs II. vom Juni 1784 gerichtet, in denen er
zunächst administrative Gesichtspunkte abhandelte, bevor das Regulativ
der weiteren Erziehung festgelegt wurde. Joseph II. stellte dem Erzherzog
jährlich 18.000 fl. für seine gesamten Ausgaben zur Verfügung. Bei dieser
Apanage handelt es sich ausschließlich um staatliche Gelder.256 Dies sollte
253 „Daß ich mit dem Erzherzog Frantz angenohmene Erziehungsart in Florenz keineswegs,
weder seiner bestimmung noch seiner persona angemessen gefunden habe […].“ vgl. ÖNB,
BAG, A/30 Autographen, Betrachtungen über des Erzherzogs Frantz weitere Erziehung,
18.08.1784, fol. 1r.
254 ÖNB, BAG, A/30 Autographen, Belehrungspuncten seiner k. k. Majestät über die Erziehung
des Ertzherzogs Franz, 04.02.1785, Abschrift
255 Rauchensteiner, Berater, 6–12. Für weitere biografische Angaben zu Lamberti vgl. ÖBL,
Bd. 4, 412f.
256 ÖNB, BAG, A/30 Autographen, Beobachtungs-Punkte[n] für den Grafen Colloredo und die
zween General-Adjutanten die Erziehung des Ertzherzogs Franz betreffend 21.06.1784,
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Untertitel
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Autoren
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2015
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 644
- Schlagwörter
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630